Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
Vom Netzwerk:
genießen, die Ihnen noch bleibt. Denn, glauben Sie mir, in Kürze geht alles zum Teufel.« Ich hatte den Eindruck, dass dieser Ausdruck in Miss Mornings Welt eine wahrhaft »gepfefferte« Sprache darstellte, vorbehalten nur den allerschlimmsten Katastrophen.
     
    Ich kramte in meinen Taschen nach dem Schlüssel, als die Tür zu dem Haus in Tooting Bec, in dem unsere kleine Wohnung lag, aufflog und Abbey im Bademantel vor mir stand, das Haar immer noch feucht von der Dusche, das Gesicht rosig und ohne Make-up. Ihre Körperlotion duftete nach Karamell.
    »Ich habe mir schon Sorgen gemacht.«
    »Alles in Ordnung.« Ich trat in die Wohnung, schloss die Tür hinter mir, versperrte sie und legte die Kette vor. »Musste nur Überstunden machen, das ist alles.« Ich schlüpfte aus meinem Mantel und hängte ihn an den Haken.
    »Bist du böse auf mich?«
    »Warum sollte ich böse auf dich sein?« Ich erblickte ein Stückchen nackte Haut unter dem Bademantel. Sie wirkte klein und zart, wie eine Puppe, und ich hatte noch nie zuvor einen so unwiderstehlichen Drang verspürt, sie zu umarmen.
    »Ich dachte nur – nach dem, was letzte Nacht passiert ist.« Sie kaute an ihrer Unterlippe. »Nach dem, was nicht passiert ist.«
    Ich nahm sie in die Arme, drückte sie fest an mich und küsste sie auf die Lippen, ohne die Konsequenzen zu bedenken, und zum ersten Mal ohne die Befürchtung, mich zum Idioten zu machen.
    »Henry?«, fragte sie mit zitternder Stimme, als sich unsere Lippen voneinander gelöst und meine Hände geistesabwesend angefangen hatten, abwärtszugleiten.
    Schweigend führte ich sie in mein Zimmer, wo ich ihr so sanft wie möglich den Bademantel abstreifte, die Finger über ihre Brüste gleiten ließ, auf die Knie fiel und daranging, jedes noch so winzige Stückchen Abbey zu küssen.
     
    Wir lagen in der warmen Intimität aneinandergeschmiegter Körper und überließen uns gerade einer angenehmen Schläfrigkeit, als das quengelnde Kreischen der Türglocke uns in die Wirklichkeit zurückzerrte. Abbey schniefte misslaunig, aber ich löste mich aus ihrer Umklammerung, zog mir T-Shirt und Unterhose an und trottete zur Tür; mir wurde schmerzlich klar, dass die Freuden des Abends bereits Geschichte waren. Es klingelte noch einmal, und als ich die Hand nach der Klinke ausstreckte, fragte ich mich, ob jemals in der gesamten Menschheitsgeschichte ein unerwartetes Türklingeln nach Mitternacht etwas Gutes zu bedeuten gehabt hatte.
    Es war Jasper, aufgeladen und überdreht wie ein Kind, dem man zu viele chemische Nahrungszusätze ins Essen getan hatte.
    »Ich glaube, es ist ein Fehler«, sagte er und trat durch die Tür ins Haus, ohne dass ich ihn hereingebeten hätte.
    Ich rieb mir die Augen. »Keine Ahnung, was Sie meinen.«
    »Haben Sie’s nicht gehört?«
    »Was gehört?«
    »Die Präfekten werden schon heute Nacht verlegt!«
    »Das kann nicht stimmen. Dedlock hat sich ganz unmissverständlich ausgedrückt!«
    »Dann hat er sich versprochen. Oder er hat seinen Entschluss geändert. Sie sollten sich vielleicht ankleiden.« Und dann ignorierte mich Mister Jasper plötzlich, denn Abbey war aus dem Schlafzimmer gekommen und stand blinzelnd im hellen Licht des Flurs; ein kunstvoll geschlungenes Handtuch verdeckte das Wesentliche.
    Jasper grinste. »Und Sie sind wohl Henrys Hauswirtin.«
    Abbey warf mir einen Blick zu, aus dem zu gleichen Teilen Verwirrung, Verärgerung und Vorwurf sprachen.
    »Tut mir leid, wenn ich so hereinplatzen muss«, fuhr Mister Jasper nach einigen sprachlosen Sekunden fort. »Aber auch für mich bedeutete es eine Störung. Ich war gerade dabei, unsere kleine Barbara durch die Stadt zu führen. Wunderbares Mädchen. So sauber …« Er lächelte verträumt. »Ich gebe euch beiden noch ein, zwei Minuten, ja?«
    Ich schob Abbey zurück ins Zimmer, wo ich mich aus ganzem Herzen bei ihr entschuldigte, in meine Kleider schlüpfte, mir mit dem Kamm durchs Haar fuhr und versuchte, mich geistig auf eine Nacht mit Dedlock, Hawker und Boon einzustellen.
    »Könntest du ihn kurz ablenken?«, fragte ich, als ich angezogen war. »Verwickle ihn in ein Gespräch. Ich muss noch telefonieren.«
    »Wozu?«, fragte Abbey. »Wen, zum Geier, willst du anrufen?«
    »Bitte. Keine Fragen.«
    »Eines Tages, Henry, wirst du mir alles sagen müssen.«
    »Das verspreche ich dir. Aber im Moment …«
    Abbey setzte ein freundliches Hausfrauenlächeln auf, und wir gingen gemeinsam ins Wohnzimmer, wo Jasper in einer Zeitschrift

Weitere Kostenlose Bücher