Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
Vom Netzwerk:
der Suche nach einer Vene bearbeitete der blonde Mann mit gezückter Nadel die Innenseite von Arthurs Arm mit kleinen Schlägen. »Sie sind jetzt einer von uns.«
    Nachdem er dies vernommen hatte, ließ sich Seine Königliche Hoheit Prinz Arthur Aelfric Vortigern Windsor wortlos zurücksinken und erlaubte dem Mann mit den kantigen Gesichtszügen, das zu vollenden, was er begonnen hatte. Und als es vorbei war, weinte er vor Dankbarkeit und Freude und mit einem entsetzlichen Gefühl von Unterwürfigkeit. Er küsste Mister Streater die Hände, leckte ihm die Handflächen und saugte an seinen Fingern. Er versprach Furchtbares und gelobte Grauenvolles. Er verkaufte seine Seele für eine weitere Tasse Tee.

SECHZEHN
     
    Am äußersten Ende der Downing Street stieg ich aus dem Wagen in eine Welt der Finsternis. Den TV-Vorhersagen von klarem Himmel und Mondschein zum Trotz hatte sich ein undurchdringlicher Nebel auf ganz London herabgesenkt.
    Nebel war überall. Die Stadt war durchtränkt davon: Dichter als Rauch sickerte er in die Kleider und schlich sich heimtückisch in die Lungen. Es war, als hätte man uns ein halbes Dutzend Generationen in die Vergangenheit gezerrt, in die Ära der Gaslampen und Pferdekutschen, der alten Königin und in die Zeit vor den Weltkriegen.
    Mir kam der Gedanke, dass diese Ära gar nicht so weit hinter uns lag, wie uns schien – dass es nur die Kürze menschlichen Lebens war, die in uns die Illusion der Ferne erweckte. Von einer höheren Warte aus mochte die Zeitspanne zwischen der Ära Königin Victorias und der unseren nicht mehr als ein paar Sekunden betragen – ein paar Zuckungen des kleinen Zeigers rund ums Zifferblatt.
    Ganz Whitehall war abgeriegelt worden, und die berühmteste Straße Englands war erfüllt von den Geräuschen und den Bildern des Krieges. Bogenlampen stellten sich kraftlos der Nebelwand entgegen, und Männer in Uniform umschwärmten einen gepanzerten Wagen, der dicht an die Tür von Nummer 10 herangefahren worden war; überall war das metallische Blinken von Waffenstahl zu erkennen, man hörte halblaut geknurrte Befehle und das dumpfe Schnappen einrastender Magazine. Es war die Vorbereitung auf die Katastrophe. Das Sichwappnen gegen das Unheil.
    Als ich aus dem Wagen stieg, tauchte Mister Steerforth mit steinernem Gesicht neben mir aus dem Nichts auf; er war in seinem Element – umgeben von militärischem Getriebe und Getue.
    »Sie kommen mit mir!«, bellte er mich an und schritt voran. Ich folgte ihm in Richtung Nummer 10, während uns der Nebel immer dichter einhüllte.
    Wir waren fast am Ziel angekommen, und ich konnte Mister Jasper schon sehen, als Steerforth mir ein fleischfarbenes Plastikteil, geformt wie eine Kaulquappe, in die Hand drückte. »Dedlock möchte mit Ihnen sprechen. Sie wissen doch, wie man das hier handhabt, oder?«
    Ich wollte gerade zu einer heftigen Beschwerde ansetzen, wollte fragen, ob denn das alles wirklich nötig sei, als mir Steerforth dieses Plastikding ins linke Ohr rammte. Irgendeine Ranke entrollte sich in meinen Gehörgang, und dann verspürte ich einen schmerzhaften Stich, als sie sich in die weiche Feuchtigkeit dahinter bohrte. Vor Schreck schrie ich laut auf, aber der Schmerz war fast augenblicklich vorbei; dennoch blieb ein unbehagliches Gefühl, das ich nicht abschütteln konnte – der vage Eindruck des In-Besitz-genommen-Werdens. Und dann hörte ich – viel zu laut – eine wohlbekannte Stimme in meinem Kopf.
    »Guten Abend, meine Herren.«
    Ich sah ihn vor mir, wie er zahnlos grinste und aus seinem Adlernest über den Fluss hinweg herüberstarrte.
    »Diese Nacht wird folgendermaßen ablaufen. Die Präfekten wurden bereits aus ihrer Zelle entlassen. Sie sollen von Nummer zehn aus direkt in das gepanzerte Fahrzeug gebracht werden, das Sie, wie ich vermute, vor sich sehen. Anschließend werden sie uns zu Estella führen. Das Ende des Krieges ist in Sicht. Ich würde sagen, wir haben Grund zu großer Freude.«
    Steerforth ergriff das Wort. »Mit allem Respekt, Sir, würde ich dennoch vorschlagen, die Operation zu verschieben. Dieser Nebel gibt Raum für zu viele Unwägbarkeiten. Wir sollten warten, bis wir die Situation wieder unter Kontrolle haben.«
    »Wir haben sie durchaus unter Kontrolle, Mister Steerforth.«
    »Wir können keinen halben Schritt weit sehen, Sir. Ich glaube, Ihnen ist nicht bewusst, welches Risiko …«
    »Und ich glaube, Ihnen ist nicht bewusst, Mister Steerforth, dass wir es uns einfach nicht leisten

Weitere Kostenlose Bücher