Das Königsmädchen
er von euch abgelassen hat, normalerweise hören sie erst auf, wenn es zu spät ist.«
»Er hat nicht von uns abgelassen, Briar hat ihn in die Flucht geschlagen.«
Meine Mutter schüttelte erschrocken den Kopf und fasste mich an der Hand. »Es wird sicher alles wieder gut, Lilia. Nicht wahr, Medikus?«
»Nun ja, ich denke schon. Aber wir müssen abwarten.« Er machte eine Pause und setzte dann erneut an: »Vielleicht kannst du das Bein nicht mehr richtig belasten.«
Meine Mutter schluchzte auf. Doch meine Gedanken waren einzig und allein bei Briar. »Wir müssen sehen, wie sich alles entwickelt. Ich komme morgen wieder und wechsle euch beiden die Verbände. Du solltest viel schlafen.«
Meine Mutter umarmte mich zärtlich. »Ich werde dich bald wieder besuchen, dir wird es hier an nichts fehlen, meine Kleine.«
Ich nickte und ließ mich zum Abschied von ihr küssen. »Schlaf jetzt, du brauchst viel Schlaf. Bis morgen! Ich regle alles im Tempel, mach dir keine Sorgen!«
Ich war erleichtert, als die Schmerzen nachließen und der Medikus verschwand. Er dimmte das Licht und schloss die Tür des Stalls. Ich wartete kurz und lauschte der Dunkelheit.
Ich möchte so gerne mit ihm sprechen!
Ich ignorierte den Schmerz, der sich durch mein Bein zog, und drehte mich zu Briar.
Jemand hatte sein Gesicht gesäubert, zum ersten Mal erkannte ich die Wunden, die der Nebulos ihm versetzt hatte. Vier lange Striemen, auf denen eine grüne Paste aus Kräutern verteilt war, durchzogen sein Gesicht. Es war schlimmer als vermutet, denn jetzt konnte man sehen, wie tief die Schnitte tatsächlich waren. Tief, aber glücklicherweise nicht sehr breit zogen sie sich über die rechte Hälfte seines sonst so makellosen Gesichtes. Um seine Brust war ein Verband gewickelt und auch am Arm war an mehreren Stellen die grüne Kräuter-Mixtur verteilt.
Mein Blick fiel auf seine enormen Muskeln. Nicht nur seine Brust sah aus, als trüge er eine Rüstung. Auch die Arme waren so dick wie mein Oberschenkel.
Er sieht aus, als ob er schläft.
»Briar?«, fragte ich leise, doch er regte sich kein bisschen. »Du wirst wieder gesund, ich weiß es!«
Tränen flossen mir über die Wange und nach einer Weile schlief ich ein.
D rei
Lala hob ihren Kopf von den Pfoten und beobachtete genau, was ich tat. Schweißtropfen glitzerten auf Briars Körper, nur sein Brustkorb gab Aufschluss, dass er noch atmete.
Vorsichtig tupfte ich ihm den Schweiß von der Stirn und mein Blick klebte an seinen verschlossenen Augen. Warum öffnete er sie nicht?
Das schwache Licht der Kerzen um unsere Schlafstätte herum schenkte mir nur eine lausige Sicht, aber immerhin konnte ich ein wenig erkennen. Heuballen stapelten sich um uns herum, Schubkarren standen in Reih und Glied an der Wand. Es roch angenehm nach frischem Heu und Leder.
Die Schmerzen in meinem Bein konnte ich ertragen, doch ich wagte nicht, mich zu bewegen. Die Wunde am Hals juckte zwar fürchterlich, aber kratzen war strengstens untersagt. Außerdem wollte ich die stinkende, grüne Paste des Medikus nicht an meinen Fingern haben.
Ich hatte eine unruhige Nacht hinter mir, Albträume hatten mich verfolgt und so war ich immer wieder schweißgebadet aufgewacht. Eine angenehme Stille umgab uns und das einzige Geräusch kam von Lala, die versuchte, sich von dem Verband um ihren Vorderlauf zu befreien. Doch ich konnte sie nicht daran hindern, denn dafür müsste ich zu Briars Füßen krabbeln. Da ich mein Bein nicht bewegen durfte, ließ ich sie gewähren.
Als die Sonne aufging, hörte ich draußen Schritte und richtete mich umständlich auf. Sofort schoss mir der Schmerz durchs Bein und ich konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken. Karthane erschien in der Tür und kam leise zu mir. Dunkle Schatten lagen unter ihren Augen, auch sie hatte letzte Nacht nicht genug geschlafen. Lala wedelte mit dem Schwanz und wimmerte.
»Ich bin schon wach, Karthane.«
»Ich wollte nur mal nach euch sehen. Hast du Schmerzen?«
»Es ist erträglich. Mein Bein schmerzt, aber es ist schon besser als heute Nacht.«
Sie setzte sich neben Lala und streichelte die Wölfin hinter den Ohren, während sie sich den Verband am Vorderlauf ansah.
»Schon wieder zerbissen. Böses Mädchen!«, sagte sie schroff, hörte aber nicht auf, das Tier zu streicheln. Ich nahm an, dass Karthane den Verband bereits gewechselt hatte.
»Sie hat uns das Leben gerettet! Sie und der andere Wolf haben sich auf den Nebulos gestürzt. Wären sie nicht so mutig
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