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Das Königsmädchen

Das Königsmädchen

Titel: Das Königsmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Fussel
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gewesen …«
    Ich konnte nicht weitersprechen, denn etwas schnürte mir die Kehle zu, als die Erinnerungen vor meinem inneren Auge erschienen.
    »Seyal war Briars erster Wolf, ein ganz besonderes Tier. Ich habe ihn heute Nacht noch begraben. Briar hätte es so gewollt.«
    Traurig schaute sie ihrem Sohn ins Gesicht und Tränen stiegen in ihren Augen empor. Schon als sie in der Höhle seinen Namen sagte, hatte ich vermutet, dass Karthane seine Mutter war, doch die Ähnlichkeit war nicht allzu groß. Als der Medikus jedoch mit ihr über Briars miserablen Zustand gesprochen hatte, war mir klar geworden, dass sie zusammengehörten. »Ist er dein einziger Sohn?«
    »Ja, er ist alles, was ich noch habe.« Sie schluckte schwer. »Er ist seinem Vater sehr ähnlich. Hammas, mein Mann, starb vor einigen Jahren.«
    Ich musste an Kinthos‘ Worte denken.
    Sie strich Briar vorsichtig über den Kopf und tupfte ihm den Schweiß von der Stirn. »Ich habe Angst ihn zu verlieren, Lilia. Ich wüsste nicht, was ich dann machen würde!«
    »Karthane, es wird sicher alles wieder gut.«
    Ich versuchte nach ihrer Hand zu greifen, doch ich kam nicht daran. »Es tut mir alles so leid, es ist meine Schuld.«
    Sie lächelte mir zaghaft zu. »Nein, du trägst keine Schuld, Lilia.«
    Jetzt stahlen sich Tränen in meine Augen und ich erzählte ihr die ganze Geschichte. Angefangen, dass ich nicht im Tempel wohnen wollte und an den Fluss geritten war, um mich noch einmal frei zu fühlen. Dass meine Ignoranz mich in Gefahr gebracht hatte, und wäre ich nicht da gewesen, Briar mich auch nicht hätte retten müssen und nun in so einer Lebensgefahr schwebte. »Mach dir keine Gedanken, Kleines. Er ist nun mal sehr aufopferungsvoll. Das hat er ebenfalls von seinem Vater. Hammas war zu Zeiten des Brent ein Krieger. Er ist im Kampf gegen die Amaren gestorben.«
    Dieser Krieg war schon einige Jahre her und ich erinnerte mich, wie sehr ich mich gefreut hatte, meinen Vater am Brunnen zu sehen, als die Waldläufer zurückkehrten. Brent war Kinthos‘ Vater und auch er war in dieser Schlacht gestorben. Ich hatte damals versucht meinen Freund zu trösten, aber er war in sich gekehrt und sprach einige Wochen kein Wort. Schnell hatte man den Nachfolger Thymus gewählt. Kinthos war sehr unglücklich zu dieser Zeit, denn das Dorf feierte das neue Paar im Tempel, obwohl er trauerte. Doch so war das bei den Jiri. Vielleicht wollte man so auch die Trauer des Volkes bekämpfen.
    »Wieso lebt er nicht im Tempel bei den Jungkriegern? Es ist seine Zeit.«
    Kurz zuckte es um ihre Augen, als trafen sie meine Worte im Herz. Traurig schaute Karthane zu ihrem Sohn.
    »Es ist seine Zeit, doch er hat nie darüber gesprochen. Er hilft mir viel bei der Pferdezucht und ich wüsste nicht, wie ich die viele Arbeit ohne ihn schaffen soll. Jede Mutter wünscht sich, ihren Sohn in der Rüstung zu sehen, doch ich habe schon meinen Mann an den Krieg verloren.«
    Ich nickte. Derzeit befanden sich die vier Völker im Frieden miteinander. Die Ländereien waren abgesteckt worden und danach war Krieg kein Thema mehr. Doch ich konnte ihre Sorgen verstehen. Vor allem jetzt, da Thymus und seine Männer ermordet wurden. »Ich habe ihn nie gefragt, ob er in die Armee möchte. Ich war einfach froh, dass es nicht dazu kam.«
    »Mach dir keine Gedanken, Karthane. Er tut das, was er für richtig hält.«
    Sie nickte und küsste ihn sanft auf die Stirn. »Ich glaube eher, er tut, was für mich das Beste ist.«
    »Du hast einen wundervollen Sohn.«
    »Ja, in der Tat«, sagte sie und lächelte.
    An diesem und dem darauffolgenden Tag kam der Medikus, schmierte neue Heilpaste auf unsere Wunden und wechselte die Verbände. Da ich Sorge hatte, man würde mich im Tempel versorgen wollen, übertrieb ich, wenn er fragte, ob ich Schmerzen hatte. Ich sagte ihm, dass mir noch schwarz vor Augen wurde, sobald ich mich drehte und so schien es unumgänglich, dass ich noch länger bei Karthane und Briar bleiben musste.
    Am vierten Tag regnete es in Strömen, der Medikus erschien im Stall in Begleitung meiner Mutter. Panik überkam mich, dass sie mich in den Tempel mitnehmen wollte.
    »Ist er noch immer nicht wach?«, fragte der Heiler besorgt.
    »Nein, er wälzt sich nachts hin und her, geplagt von Albträumen. Er murmelt dann unverständliches Zeug, aber die Augen öffnet er nicht.«
    »Mmh, verstehe.«
    Das war‘s? Ich wollte, dass er ihn weckte. Dass er mir sagte, alles wird wieder gut.
    Ich hatte den Medikus belogen.

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