Das Königsmädchen
Obersten.«
»Vielleicht, ja.«
»Er wäre dumm, wenn er deine wahre Schönheit nicht erkennt.«
Ich spürte, dass mir das Schlucken schwerfiel. Briars Kette lag um meinen Hals, als würde sie mich zuschnüren und Tränen bahnten sich einen Weg aus meinen Augen.
»Briar, ich wünsche dir alles Gute.«
Einen kurzen Augenblick legte ich meine Hand auf seine Brust, ohne ihn anzusehen, und dann rannte ich weg.
Ich ließ ihn zurück. Ihn. Meinen Retter. Der mich nicht zurückgelassen hatte.
Ich fand mich heulend in meinem Bett wieder. Einmal kam Rosika in mein Zimmer und versuchte mich zu beruhigen. Erst spät am Nachmittag, als die Sonne sich schon den Weg über Kwarr Marrh bahnte, wurde es langsam besser. Die Tür öffnete sich und Hanna schlüpfte herein.
»Lilia?«, flüsterte sie. Langsam kam sie auf mich zu. »Schläfst du?«
Ich brauchte nichts sagen, denn ich atmete so schwer, dass sie wusste, dass ich nicht schlief. Ich machte mir nicht die Mühe, mein Gesicht aus dem Kissen zu heben. »Rosika hat mir erzählt, dass du ganz bitterlich geweint hast, weil du es nicht ertragen hast, dass Kinthos mit mir fortgeritten ist.«
In einigem Abstand setzte sie sich auf mein Bett. Ich lächelte. »Nein. Das stimmt nicht.«
Ich richtete mich auf und strich mir die Haare aus dem Gesicht.
»Beim Stein der Erde! Du siehst ja furchtbar aus, was ist passiert?«
Sie sprang auf und holte eine Schüssel mit Wasser. Sie drückte mich aufs Bett zurück und benetzte meine Augen mit kalten Tüchern. »Wenn du die nicht drauf lässt, sieht man morgen noch die Schwellung deiner Augen!«
Sie streichelte mir nervös den Arm.
»Erzähl mir von eurem Ausritt«, bat ich.
»Also anfangs war es furchtbar, wir wussten beide nicht, was wir sagen sollten.«
»Nicht mal du?« Ich lachte.
»Sei jetzt still, sonst erzähle ich nichts mehr.«
»Jawohl«, sagte ich.
»Wir ritten stumm nebeneinander, ja selbst ich. Dann irgendwann hat er nach dir gefragt. Immer wieder haben wir von dir geredet, warum auch immer. Aber du bist als Thema nicht schlecht, denn darüber kann ich viel erzählen.« Sie lachte. »Naja, auf jeden Fall hat er mir später verraten, wen er nach Hause schicken will, kannst du das glauben?«
»Wen?«, fragte ich.
»Erst hatte er überlegt, Jole nach Hause zu schicken. Er fand es gar nicht nett, dass sie mich beim Essen verraten hat. Aber ich glaube, er fand es auch nicht so gut, dass ich geplaudert habe. Na ja, auf jeden Fall hat er sich für Linea entschieden.«
Damit war das Problem für ihren Auftritt erledigt.
Sie erzählte mir weiter, wie schön der Ausritt gewesen war, doch die kalten Binden auf meinen Augen ließen mich müde werden und ich dachte an Briar. Nur monoton konnte ich Hanna noch im Hintergrund hören.
»Sind wir noch Freunde?«, hatte er gefragt. Konnten wir Freunde sein? War das überhaupt möglich? Wie sehr hatte ich ihn gekränkt? Er hatte so vieles für mich geopfert und ich tat ihm nur weh. Ich war die schlechteste Freundin, die man haben konnte. Vielleicht war er ohne mich ja besser dran.
S echs
Ich nahm einen Umweg zum Festsaal, um nicht an der Kaserne vorbeizukommen. Seit Tagen schon versuchte ich, einer Begegnung mit Briar aus dem Weg zu gehen. Wer hätte das gedacht? Ich hatte mich so gefreut, dass er endlich bei mir im Tempel war und nun hatte ich Angst, ihm zu begegnen.
Heute wollte sich Atira meinen Tanz ansehen, um mir Tipps zu geben. Ich hatte sowieso schon schlechte Laune und somit absolut keine Lust zu tanzen. Konnte der Tag noch schlimmer werden?
Ich bog um die Ecke und hörte die Stimmen von Jole und Rosika. Als ich Briars Namen hörte, fasste ich kurz zu der Stelle, an der bis vor kurzem noch seine Kette gewesen war, bis mir einfiel, dass ich sie unter meinem Kopfkissen versteckt hatte. Ich konnte sie nicht mehr tragen, es war so schon schwer, nicht ständig an ihn denken zu müssen.
Leise schlich ich bis zum Ende des Korridors und lauschte der Unterhaltung. Ich hatte richtig gehört, es waren Jole und Rosika. Allein Joles Stimme ließ mir die Nackenhaare hochstehen. Sie war mir wirklich zuwider.
»Er ist nur hier, weil er Lilia gerettet hat und Kinthos sie so gerne mag«, hörte ich sie zetern.
»Man sagt ja, dass die beiden in einem Bett geschlafen haben«, erwiderte Rosika.
»Nein, sie waren beide stark verletzt und haben in unterschiedlichen Betten geschlafen. Da war nichts zwischen ihnen«, klang Hannas glockenhelle Stimme zu mir.
Lieb, dass sie uns nicht
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