Das Königsmädchen
die Gegend. Wenn man einem Uhuru oder einer Uhura begegnete, fuchtelten sie meist wild mit den Händen und beschrieben, wie toll oder furchtbar etwas war, sie hatten einen Drang zur Übertreibung.
Doch dieser seltsame Mann vor mir wirkte bedrohlich, und erst, nachdem er mich von oben bis unten gemustert hatte, legte sich ein beängstigendes Lächeln auf sein Gesicht.
War er vielleicht ein Leekaner? Das Feuervolk hatte schon so manch merkwürdige Gestalt zum Vorschein gebracht und meistens waren sie streitsüchtig und aufbrausend. Doch er war so still. Vom Aussehen hätte es passen können, denn es kamen ein paar schwarze Haare unter der Kapuze hervor. Die Leekaner hatten schwarze, dunkelbraune oder rote Haare, ließen sie meist lang und ungekämmt herunterhängen. Auch die Frauen liefen gerne bewaffnet herum und scheuten keine Auseinandersetzung.
Mein Herzschlag beschleunigte sich und ich trat nah an Briar heran. Er schaute dem Mann noch immer unbewegt ins Gesicht, obwohl dieser mich überhaupt nicht mehr aus den Augen ließ. Ich legte meine Hand auf Briars Oberarm, mit dem er die Hand des geheimnisvollen Mannes hielt und zog sie runter. Erst da schaute mich Briar an, als wäre er gerade aus einem Traum erwacht.
»Lilia«, sagte er fröhlich. »Hier ist etwas zu trinken.«
Er reichte mir die Flasche und ich roch an deren Inhalt. Da ich nichts Seltsames bemerkte, nahm ich ein paar große Schlucke. Als ich die Flasche wieder absetzte, war der Mann weg, spurlos verschwunden! Ich drehte mich schnell um, schaute Briar verdutzt an, doch er blickte mich nur fragend an.
»Stimmt etwas nicht mit dem Wasser?«
»Briar, wer war der Mann?«
»Welcher Mann?«, fragte er belustigt. »Ich glaube, dir ist die Hitze zu Kopf gestiegen.«
Er griff mir unter den Arm und führte mich zurück zu den anderen. Ich hatte den Mann doch gesehen. Wie konnte er so schnell verschwunden sein?
»Briar, du hast dich doch gerade mit jemandem unterhalten!«
Er schaute mich fragend an. »Ich habe dir Wasser geholt.« Er hielt mir die Flasche vor die Nase.
Ich hatte gesehen, was ich gesehen hatte, doch mit einem Mal war ich mir nicht mehr sicher, ob diese merkwürdige Gestalt wirklich hier gewesen war. Meine Erinnerung an die Szene war plötzlich vernebelt. Doch ich war froh, dass Briar wieder bei mir war und wir wohlbehalten zu den Anderen zurückkamen.
Nachdem Hanna ungefähr zwanzig verschiedene Stoffe gekauft hatte und glücklich vor sich hin summte, machten wir uns auf den Rückweg. Wir waren alle ziemlich erschöpft und so trabten wir große Strecken und rasteten kaum, weil wir uns alle nach einem Bett sehnten.
Noch vor Einbruch der Dunkelheit kamen wir am Tempel an und wurden dort freudig von meinen Eltern und sogar Kinthos begrüßt.
»Endlich seid ihr zurück. Wie war es?«, fragte er und kam ein paar Schritte auf uns zu. »Hattet ihr Spaß?«
»Es war wunderschön, Hanna hatte glaub ich am meisten Spaß!«, sagte ich lachend.
Kinthos half ihr beim Absteigen und sofort färbten sich Hannas Wangen rosa.
»Ich habe wunderschöne Seide gekauft und bin sehr glücklich, dass ich das erleben durfte.«
»Freut mich Hanna, schade, dass ich nicht dabei sein konnte.«
Jetzt wurden ihre Wangen noch roter und sie lächelte. Als Kinthos mir beim Absteigen half, umarmten wir uns zur Begrüßung. Nachdem ich auch meine Eltern umarmt hatte, wollte ich mich bei Briar für den Ausflug bedanken, doch er war bereits mit den Pferden Richtung Stall geritten. Hanna und Urwais standen nun neben mir und unterhielten sich tatsächlich über Stoffe.
»Lilia, hast du einen Moment für mich?«, fragte mein Vater mit einem traurigen Gesicht und ich nickte zögernd.
»Wir sehen uns im Zimmer, Hanna. Vielen Dank für deine Begleitung Urwais. Kinthos, das nächste Mal nehmen wir dich mit!«
Er lächelte und ich zwinkerte ihm zu. Meine Mutter huschte hinter uns weg und verschwand Richtung Kapelle. »Was hat sie?«
»Ihr geht es gut, sie macht sich nur mal wieder Sorgen.«
»Sorgen?«
Meine Mutter machte sich immer Sorgen, das war nichts Neues, doch es bedrückte auch meinen Vater und das stimmte mich nervös.
Wir gingen um den Tempel, bis zur steilen Wand von Ja-Han. »Also?«, fragte ich, nachdem wir uns auf zwei große Steine gesetzt hatten.
»Sie macht sich Sorgen um dich.«
»Sie macht sich immer Sorgen um mich! Weshalb diesmal?«
»Es ist wegen Briar.« Er sah mich ernst und bekümmert an.
»Was ist mit Briar?«, fragte ich vorsichtig. Ich
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