Das Königsmädchen
verriet, schließlich hatte sie uns sogar erwischt.
»Dennoch, er hat hier nichts verloren! Wieso lässt Kinthos das zu? Ich meine, im Grunde kann es uns ja nur recht sein, wenn Kinthos erkennt, für wen ihr Herz schlägt. Hoffentlich schickt er sie dann endlich nach Hause«, hörte ich Jole schroff. Ich spürte, wie sich meine Fingernägel in meine Handinnenflächen bohrten, so sehr ballte ich die Hände zu Fäusten.
»Er ist ein hervorragender Krieger, deshalb hat ihr Vater ihn zu den Jungkriegern geholt«, sagte Hanna vorsichtig.
»So ein Blödsinn, Nodosa hat Briar nur in den Tempel gebracht, weil er Lilias Retter ist.« Jole lachte auf.
»Ein hervorragender Krieger! Wenn ich das höre, er hat gerade erst mit dem Training begonnen. Das Einzige, was er tun könnte, wäre die Gegner mit seinem Gesicht zu Tode erschrecken!«
Das war zu viel!
Während sie lachte, lief ich um die Ecke und konnte die Drei direkt vor mir erkennen. Hanna lachte nicht, sie schaute bedrückt zu Boden. Sie war mit Briar befreundet und hatte ihn in Schutz genommen.
Als Jole mich erkannte, sah sie mich erst erschrocken an und hob die Hand. Mein Hals schnürte sich zu, als ich ihr selbstgefälliges Grinsen sah. Mit einer raschen Bewegung schlug ich ihr die Hand weg und gab ihr einen Fausthieb, dass sie in hohen Bogen nach hinten flog.
»Nein!«, schrie Hanna und stürzte auf die am Boden liegende Auserwählte. Jole hielt sich Wange und Kinn, dicke Tränen schossen in ihre Augen.
»Jetzt lachst du nicht mehr, was?«, schrie ich und stürmte an den Dreien vorbei. Als ich davonlief, sammelten sich auch in meinen Augen Tränen.
»Das wirst du mir büßen«, hallte Joles Stimme durch den Gang zu mir und den Rest konnte ich nicht mehr verstehen. Ich war wütend, wütend auf Jole und Rosika. Aber vor allem war ich wütend auf mich. Das wusste ich sofort. Es ärgerte mich, dass Briar Narben im Gesicht hatte, die im Grunde meine Handschrift trugen. Obwohl ich die Narben schön fand. Wie oft hatte ich sie schon berührt? Jedes Mal erinnerten sie mich an unseren Kuss. Warum regte es mich überhaupt so auf, was Jole sagte?
Ich war total durcheinander. Ich hörte erst auf zu laufen, als ich vor der Kapelle stand und die Wachen am Eingang mich ansahen. Als sie meine Tränen sahen, öffneten sie die Tür und nickten mir zu. Zum Glück fragten sie nicht, was ich hier wollte. Als normaler Bürger wurde man immer begleitet, wenn man beten wollte. Schließlich befand sich in der Kapelle der heilige Stein der Erde. Ohne ihn wäre unser Volk verloren und so musste er ständig bewacht werden.
Aber weil ich ein Königsmädchen war, wagten sie es nicht, mich zu begleiten, und so befand ich mich nun ganz allein in der großen Kapelle. Ich genoss die Stille. Hier an diesem friedlichen Ort konnte man nichts hören und so gab ich mich meinen Tränen hin. Ich badete im Selbstmitleid und suchte nach einem Ausweg aus dieser Lage. Jole hatte bestimmt Schmerzen, wobei ihr das ganz recht geschah. Schließlich hatte sie Briar beleidigt.
Briar . Mein Magen zog sich zusammen. Ich durfte nicht die Gefühle für ihn haben, die ich hatte. Jetzt war er nicht mal mehr ein guter Freund. Ich durfte nicht mehr an ihn denken, doch konnte man sich selber Gedanken verbieten? Ich musste mich stärker auf Kinthos konzentrieren. Er war wirklich lieb und er mochte mich mindestens genauso, wie ich ihn. Er war eine gute Wahl, auf jeden Fall!
Die Zeit in der Kapelle erschien mir endlos. Und als ich mich in meinen Gedanken verloren hatte, bemerkte ich nicht, dass jemand die Kapelle betreten hatte. Ich hatte genug geweint, würde jetzt wieder die Alte werden und starrköpfig durchs Leben gehen. Ich würde mir Kinthos angeln und in diesem Tempel wohnen und trotzdem noch mein Leben genießen. Kinthos würde mir nie verbieten, in den Wald zu gehen. Ich hob den Kopf und stieß mit jemand zusammen.
»Aua!«, hörte ich Atiras Stimme . Sie sah mich wütend an. »Was machst du hier? Ich habe dich schon überall gesucht! Hast du vergessen, dass ich dir Unterricht geben wollte?«
Ich sah sie verschreckt an und ihr Zorn wich sofort Verständnis, als sie mein Gesicht sah.
»Lilia, was ist denn los?«
Sie nahm mich in den Arm und führte mich zu einer der zahlreichen Bänke, wo wir uns nebeneinander setzten. Behutsam strich sie mir über den Rücken und ich erkannte, dass Atira auch ein gutes Herz besaß. Wir saßen eine Zeit lang so da, bis ich plötzlich das Gefühl hatte, ich müsste mich
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