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Das Königsmädchen

Das Königsmädchen

Titel: Das Königsmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Fussel
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Tempel, diese Stimme war so furchteinflößend, dass ich mich erinnert hätte, wenn ich sie schon mal irgendwo gehört hätte. Sie machte mir einfach nur Angst. Aus dem Dorf war er auch nicht, aber woher sollte ich ihn dann kennen? Ich war doch sonst nirgends gewesen. Und da fiel es mir wieder ein. Die Erkenntnis ließ meinen Mund offenstehen. »Ja, ich merke, du erinnerst dich.«
    Oh ja. Jetzt wusste ich es wieder: Ich hatte ihn damals auf dem Markt in Hadassah gesehen. Er war der komische Mann, den ich für einen Leekaner gehalten hatte. Er hatte Briar berührt, doch der konnte sich danach an nichts mehr erinnern. Er hatte Briars Hand gehalten und so hatten die beiden wortlos dagestanden, bis ich zu Briar gegangen war und seine Hand genommen hatte. »Soll ich dir sagen, was ich über Briar weiß?«, fragte er höhnisch.
    Ich zuckte, als er mit seiner düsteren Stimme Briars Namen aussprach. Egal, was ich antwortete, er würde es mir ja doch erzählen. »Nein, ich werde es dir nicht sagen. Ich werde es dich spüren lassen. Das ist viel amüsanter.«
    Ich wusste nicht, wovon er redete. »Weißt du, Lilia, ich kann dir Briars Gedankenwelt zeigen, wäre das nicht etwas?«
    Er lachte wieder und spätestens jetzt hätte ich ihn auch wiedererkannt. Es war dasselbe kranke Lächeln wie damals in Hadassah. Konnte er wirklich in Briars Gedanken schauen? Nein. Das war doch unmöglich.
    Die Gestalt schloss die Zelle auf und kam auf mich zu.
    »Ich zeige sie dir gerne, Lilia.«
    Nein, das wollte ich nicht. Wenn er es mir sagte, war es das eine, doch in Briars Gedanken zu schauen war Verrat.
    Ich versuchte mal wieder vergeblich, mich von den Seilen zu befreien, wollte hier weg, doch die Stricke ließen sich nicht lösen. Ich sprang in seine Richtung und zerkratzte ihm das Gesicht, doch er regte sich nicht. Stattdessen hielt er mich an den Händen und vor Überraschung, wie kalt er sich anfühlte, konnte ich mich nicht mehr bewegen.
    Die Kälte durchströmte mich, so musste es auch damals bei Briar gewesen sein. Würde ich mich an dieses Zusammentreffen auch nicht mehr erinnern können?
    Ein helles Licht erschien vor meinen Augen und ich schloss sie, weil es so grell war. Dann wurden meine Augen von einer inneren Kraft aufgerissen und ich konnte mich sehen.
    Es war ähnlich wie damals in meiner Vision, nur dass ich mich jetzt selbst sehen konnte. Schreiend lag ich auf der schönen Wiese im Wald, der Nebulos war gefährlich nah über mir.
    Ich konnte mich sehen, mit Briars Augen!
    Wie war das möglich? Ich spürte sogar den Schmerz in seiner Brust, den er damals gefühlt hatte, als er mich gesehen hat.
    Briar hatte auf einem Baum in Sicherheit gesessen. Er sprang runter und kam auf den Nebulos und mich zugelaufen.
    Ohne zu zögern, kämpfte er für mich. Das helle Licht leuchtete wieder grell auf und ich versuchte meinen Kopf wegzudrehen, doch es ging nicht.
    Die nächste Szene erschien und ich konnte sehen, wie sich seine Hände behutsam auf meinen Kopf legten. Ich spürte die Dankbarkeit in ihm aufkeimen, dass er zur richtigen Zeit da gewesen war, um mich zu retten. Das nächste Bild erschien, ich lag ihm in der Höhle gegenüber und sein Blick wanderte von meinen Haaren zu meinen Augen, zu meinem Mund und schließlich zu meinen Wunden. Seine Gedanken kreisten nur um mich. Seine Arme umschlangen meinen Körper und er wollte mich nie wieder loslassen, sofort hatte er diese starken Gefühle für mich, ich konnte es jetzt selber spüren. Briar. Könnte er mich nur hier rausholen.
    Tief blickte ich ihm in seine Augen, die kaum noch die Kraft hatten, offenzubleiben. ›Bitte, Briar, bleib hier bei mir‹, hörte ich mich sagen. Er mochte den Klang seines Namens aus meinem Mund.
    Dann hatte er die Stimme seiner Mutter gehört und war froh, dass ich gerettet wurde. Wieder erschien das helle Licht und nun waren wir im Stall bei Karthane. Briar öffnete die Augen und schaute in mein Gesicht. Ich kniete vor ihm und tupfte seinen Schweiß von der Stirn. Er versuchte die Hand zu heben, doch er hatte nicht genug Kraft. Er wollte mir so viel sagen, doch er konnte nicht, weil seine Kraft nachließ. Er hatte sich damals geschämt, weil er dachte, dass er furchtbare Narben im Gesicht hatte und ich fühlte jetzt, wie unangenehm es ihm war, dass er dadurch das Schuldbewusstsein in mir immer wieder neu entfachte.
    Er war traurig, dass ich weinte und er nicht genügend Kraft besaß, mir die Tränen wegzuwischen. Trotz allem war er überglücklich,

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