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Das Königsmal

Das Königsmal

Titel: Das Königsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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selben Tag hatte er seinen Baumeister Hans van Steenwinkel mit den Plänen für einen Turm beauftragt, der die Welt staunen lassen sollte. Ein fantastisches Bauwerk, Sternenwarte und Kirchturm zugleich, ein Ort, um Gott in all seiner Herrlichkeit zu ehren. Ein Ausblick auf den Kosmos, den Ort allen Ursprungs. Ein Platz, das Leben zu feiern – und sein Kind, das Geschenk eines Engels.
    Van Steenwinkel hatte bereits die ersten Entwürfe geliefert, elegante Türme, die den Grundstein für einen Ort der Gelehrsamkeit legen sollten: das astronomische Observatorium, eine Kirche für die Studenten und darüber eine Bibliothek. Doch Christian war noch nicht zufrieden gewesen.
    „Er hat den Geist des Turms, seine Seele, nicht richtig erfasst“, hatte er Wiebke erläutet. „Dieses Bauwerk soll auch unsere Liebe widerspiegeln, dezent, aber doch augenfällig für jedermann, der um unser Glück weiß. Es soll für die Entdeckung des Himmels, unseres Himmels, stehen.“
    Auch Christian hatte schon einige Skizzen zu Papier gebracht und mit van Steenwinkel diskutiert. In diesem Moment jedoch saß er an seinem Schreibtisch und beantwortete Briefe. Als sie außer Atem eintrat, legte er die Feder zur Seite und kam ihr mit ausgebreiteten Armen entgegen.
    „Du sollst dich nicht so erschöpfen. Ich wäre zu dir gekommen.“
    „Seit wann steigt der König zu seinen Untertanen herab?“, neckte sie ihn und hielt ihm den Apfelzweig entgegen.
    Er roch daran, lächelte.
    „Mein Apfelmädchen. Immer, wenn ich an dich denke, habe ich diesen Duft in der Nase.“
    „Ich bin ein Apfel.“
    Sie blickte an sich hinunter und strich ihren Rock über dem Bauch glatt. Glänzend legte sich der Stoff um ihren prallen Körper, und Christian umschlang sie gerührt.
    „Es wird immer mühsamer, hier hochzusteigen“, stellte sie lächelnd fest. „Ich wünschte, ich könnte nachher wie ein Apfel wieder hinunterrollen.“
    Christian lachte. Plötzlich stutzte er. „Ein Wendelgang“, murmelte er. Er zog sie mit sich zum Schreibtisch, kramte Papier hervor und begann zu zeichnen. „Das ist es, mein Engel. Schau nur – ein Wendelgang, der sich um einen hohlen Kern windet. Er verbindet den Turm mit der Kirche und der Bibliothek. Es ist … einzigartig, noch nie da gewesen.“
    „Ein runder Turm.“ Wiebke verfolgte die Striche auf dem Papier. „Man wird mit einer Kutsche hinaufrollen können.“
    „Wenn der Turm steht, werden wir gemeinsam hinauffahren, das verspreche ich dir. Doch jetzt lass uns den Baumeister rufen. Ich bin gespannt, was van Steenwinkel zu unserer Idee sagt.“
    Es war ekelhaft. Wirklich ekelhaft. Angewidert verzog Kirsten Munk den Mund und streckte die Zunge heraus. Sie ließ den Brief sinken, der soeben aus Kopenhagen eingetroffen war. Er war mehrere Wochen unterwegs gewesen – nur wenige Schiffe liefen die Insel an, und sie fühlte sich hier draußen so verlassen wie ein Sandkorn im Meer.
    Laesø war die Hölle, nein, schlimmer. Nichts als Sturm und Langeweile, stinkende Moortümpel und Heideseen, einige hässliche Bauerntölpel, die sie wie eine Erscheinung beglotzten, und Möwen, die sie auslachten.
    Gut, sie hatte sich auf dem Gehöft des Königs eingerichtet. Ihr Schmuck und das Gold aus ihren Rocksäumen hatten ihr manche Annehmlichkeit über das Wasser getragen: mehr Pelze gegen die Kälte, Spiegel, Romane, ein gefügiges Mädchen, das sie herumscheuchen konnte und das nachts in ihrem Bett schlief, um ihr den Teufel vom Leib zu halten.
    Und Wein, genug Wein, um sich jeden Tag zu betäuben und das Bild des Rheingrafen zu ertränken. Verschwunden war er, die letzten Meldungen besagten, er habe sich den Schweden angeschlossen. Aber war das ein Grund, sie hier, eingeschlossen von dem unerbittlichen Eisgrau der Ostsee, in den Wahnsinn zu treiben? Er hatte sie doch geliebt, sie begehrt. Warum kam er nicht, um mit ihr gemeinsam das zu einem glücklichen Ende zu bringen, was sie hier hatte stranden lassen?
    Manchmal malte sie sich aus, wie sein Schiff auf der Insel landete. Ein Flüstern ging dann über die Heide, ein strahlender Prinz wäre gekommen, sie zu retten. Und wenn sie genug Wein trank, wurde sie erst am nächsten Morgen aus ihren herrlich süßen Träumen geweckt.
    Doch die Tage vergingen, einer eintöniger als der nächste. Der Winter hatte die Insel über Monate mit Eis und völliger Dunkelheit überzogen, und nur der Gedanke an Rache hatte sie wärmen können. Sie hatte das Bauernmädchen ins Zentrum ihres Hasses

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