Das Königsmal
gerückt. Wiebke Kruse, schon dieser Name war lächerlich, albern, vulgär. Und doch war es dem Ding offenbar gelungen, sich in das Bett des Königs zu schleichen.
Die Nachrichten, die sie erhalten hatte, waren jedenfalls einfach unglaublich. „Der König turtelt mit Eurer Zofe“, hatte es zunächst geheißen. Und jetzt las sie: „Der König lebt mit der Holsteinerin zusammen, sie teilen Tisch und Bett.“ Ihr Informant berichtete ihr, dass Christian diese „Liebe“ – sie lachte laut auf, als sie das Wort las, und spuckte aus – sogar vor Gott hatte segnen lassen. Auf dem Hof von Schloss Rosenborg hatte er eine Steinplatte aufstellen lassen, dass sie, Kirsten Munk, ihn betrogen und verlassen hatte. „Es ist trotz allem eine Verbindung ganz und gar gegen Gott und jede Vernunft. Der Adel schäumt, und nur wenige am Hofe richten überhaupt ein Wort an die arme Seele.“
Die arme Seele, dachte sie. Der Schreiberling wusste nicht, wie Recht er hatte: Wenn sie, Gräfin Kirsten Munk, ihre Verbindungen nach Kopenhagen erst wieder gefestigt haben würde, sollte sich das Blatt wenden. Und Wiebke Kruse, eben noch der Engel des Königs, würde dann die höllischen Abgründe des Lebens kennen lernen. Den Hass der Gräfin Munk.
Es ist doch unglaublich, wie viele Trümpfe ich gegen die kleine Wäscherin ausspielen kann, dachte sie verblüfft. Ihre Herkunft, ihr illegitimer Stand, die merkwürdigen Steine mit den fremden Schriftzeichen, die sie unter ihren Sachen entdeckt hatte. Sie hatte sie mitgenommen nach Laesø, und wenn sie erst wieder in Kopenhagen wäre, könnte sie den Verdacht der Hexerei auf die Fremde lenken. Sie hat den König verhext – genau das würde sie in die richtigen Ohren flüstern. Und schneller als der Wind sollte sich ihr Flüstern in einen Sturm der Entrüstung und einen richterlichen Prozess verwandeln.
Sie lachte, und das Mädchen, sie konnte sich seinen Namen einfach nicht merken – Inga? Inge? Ingrid? –, schaute sie erschrocken an.
„Los, los“, scheuchte Kirsten sie auf, „bring mir meine Pelzdecke.“
Obwohl das Frühjahr eigentlich schon längst hätte anbrechen müssen, war es jetzt im März noch immer so kalt wie im Dezember. Und das Gehöft war alt und zugig, die Ritzen in den Wänden waren an einigen Stellen fingerbreit. Die Mäuse machten sich einen Spaß daraus, dort vor ihren Augen hindurchzuschlüpfen. Kein Wunder, dass sie immer fror. Eine weniger robuste Natur hätte sich vermutlich ein furchtbares Leiden eingefangen, einen hartnäckigen Husten, der ganz harmlos begann und sich zu blutigem Auswurf, Herzrasen und Fieber steigerte, um schließlich in einem langen, qualvollen Ersticken zu enden.
Sie dagegen fühlte, dass die frische Luft, der salzgeschwängerte Wind ihr guttaten. Wenn sie sich im Spiegel betrachtete, sah sie rosige Wangen und glänzende Augen. Sie fühlte sich schöner als noch vor Jahren, endlich nicht in Erwartung irgendeines Balges, frisch und ausgeruht. Auch die einfache Kost, Hering, Grütze, roter Wein, bekam ihr besser als die üppigen Speisen der königlichen Tafel.
Könnte sie doch nur an den Hof zurückkehren. Sie sah sich schon durch den Ballsaal schreiten, die neueste Mode auf den Leib geschneidert, Brokatstoffe und Seide, Perlenschnüre dazu, die bewundernden Blicke des Hofstaates und eines Galans, der sich finden würde. Es war ihr unerträglich, sich Wiebke in dieser Pose vorzustellen. Wiebke, die ihre Gemächer in Besitz genommen hatte. Die durch die weitläufigen Räume schritt, die sich im Marmor spiegelte und ihre Kostbarkeiten, ihren ganzen Stolz, womöglich mit Nichtachtung strafte.
Kirsten Munk sprang auf, wühlte nach ihrem Tagebuch, das sie in ihrem Bett vergraben hatte, und schlug es auf. Sie suchte nach ihrem Inventar aller exquisiten Kuriositäten, das mehrere Seiten umfasste. Genauso gründlich, wie ihre Mutter über alle Besitztümer auf ihren Gütern Buch führte, hatte sie ihre Schätze aufgelistet, die Geschenke des Königs. Darunter waren – und es bereitete ihr immer wieder ein erstaunliches Vergnügen, die Liste durchzugehen, die Worte leise mitzusummen – Gemälde und Kupferstiche, Plastiken, Münzen und Medaillen, Fossilien und Mineralien, Drechselarbeiten aus Elfenbein, kunstvoll gravierte Straußeneier, in Gold und Silber gefasste Kokosnüsse.
Einmal war sie mit Christian bei einem der großen Sammler Kopenhagens zu Besuch gewesen. Der Mediziner und Universitätsgelehrte Ole Worms stellte in seiner Wunderkammer
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