Das Königsmal
Erleichterung kullerten aus ihren Augen. „Benachrichtigt den König.“
Es war Wiebkes Wunsch gewesen, mich bei der Geburt bei sich zu wissen – genauso wie es ihr Wunsch gewesen war, mich in ihrem neuen Leben an der Seite zu haben. Nach fünf Jahren war ich an den Hof zurückgekehrt, mit einer neuen Herrin und verändert durch den Krieg.
Kopenhagen hatte uns kühl empfangen. Die backsteinernen Fassaden der Stadt und das schimmernde Grün der Kupferdächer spiegelten in ihrer abweisenden Haltung den Argwohn des Adels wider. Der Standesdünkel war unverrückbar, ja, stand sogar über dem Wohl des Volkes. Der Hofstaat wartete ab und wusste nicht, wie er mit der neuen Frau an der Seite des Königs umgehen sollte. „Sie ist eine Bürgerliche“, raunte man sich zu. „Ein Bauernmädchen, eine Magd. Sie war die Zofe der Gräfin, und schon dieser ehrenvolle Dienst war nicht standesgemäß.“
Eine Mätresse, verborgen hinter den Mauern von Schloss Rosenborg, hätten die empörten Grafen und Herzöge wohl akzeptiert. „Ein junges, frisches Ding belebt“, äußerten die Grafen, gönnerhaft zwinkernd. „Und ein zufriedener Mann ist auch ein guter Monarch.“ Aber ein König, das Oberhaupt der protestantischen Kirche Dänemarks dazu, der öffentlich in Sünde, in einem eheähnlichen Verhältnis lebte? Der sich eine zweite Frau zur linken Hand nahm. Das ging nicht an, das war – undenkbar.
Der König selbst hielt starrsinnig an seiner Vorstellung fest, moralisch und vor Gott von seiner Frau geschieden zu sein.
„Kirsten Munk hat sich an unserer Ehe versündigt“, erklärte er. Er wollte nicht sehen, dass seine Haltung gefährlich war – gefährlich für die Krone und gefährlich für die Frau, die er liebte.
Und Wiebke? Wiebke liebte den König. Ihr Verstand sagte ihr, dass sie am Hof nicht willkommen war, nicht an der Seite des Königs, doch ihr Herz schlug leidenschaftlich gegen jeden Widerstand an. Wenn ein Diener bei Tisch ihren Wein verschüttete und auf diese Weise kundtat, dass er keine Zofe bedienen wollte, lächelte sie über das Missgeschick hinweg. Sie hatte Spinnen in ihrem Bett gefunden und eiskaltes Wasser zum Waschen bekommen.
Doch das waren Kleinigkeiten im Vergleich zu den Boshaftigkeiten, mit denen der Adel sie überschüttete. Bei den Tischgesellschaften richtete niemand ein Wort an sie, es sei denn, der König band sie demonstrativ in das Gespräch ein. Sie erhielt keine Einladungen, und in der Stadt kursierten hässliche Zeichnungen: Sie zeigten den König, alt und verblendet, vorgeführt von einer jungen Dirne.
„So viel Bosheit muss sich doch irgendwann zum Guten wenden“, meinte Wiebke seufzend, als ich ihr eins der Flugblätter zeigte.
„Sie werden nicht nachlassen, dich zu schikanieren“, antwortete ich. „Sie beharren darauf, dass diese Liebe gegen das Gesetz ist. Gegen alle Regeln ihrer Welt. Niemals kann eine Bürgerliche ihre Festung bezwingen.“
„Ach, Johanna.“ Wiebke hatte sich an mich gelehnt, so vertraut, wie es uns unsere Zuneigung erlaubte. Ich genoss ihre Zärtlichkeit, doch ich bat sie, vorsichtig zu sein. Längst hatte ich es mir angewöhnt, sie vor Dritten mit „Madame“ anzureden – auch wenn sie darauf bestanden hatte, bei den alten, liebevollen Titulierungen zu bleiben.
„Wie soll dich der Hof respektieren, wenn du dich so vertraut mit deiner Hofdame zeigst?“, hatte ich meine Bedenken geäußert.
Es war nicht einfach gewesen, sich an die neuen Verhältnisse zu gewöhnen. Als ich Wiebke und den König auf Dalum sah, ihre Vertrautheit und das Strahlen der Liebe, ahnte ich, dass ich Wiebke, so, wie ich sie bisher kannte, verlieren würde. Tief in meinem Innersten hatte ich gewusst, dass dieser Moment kommen würde, und doch weinte ich, als sie sich von dem Dorfgeistlichen segnen ließen.
Dann geschah etwas Seltsames. Eine Stimme flüsterte mir zu, ich solle gut auf meine geliebte Schwester Acht geben. Als ich mich erschrocken umdrehte, sah ich, wie mir eine Frau mit fremdem Gesicht vertraulich zublinzelte. Ich hatte sie noch nie zuvor gesehen, doch als ich sie ansprechen wollte, legte sie den Finger auf die Lippen und schüttelte den Kopf. Ihr langes, graues Haar, das sie offen trug, wippte auf und ab und ließ sie trotz ihres Alters wie ein junges Mädchen aussehen. Dann verschwand sie lächelnd.
Natürlich wollte ich Wiebke beschützen, an ihrer Seite sein, sie nicht verlieren, und so willigte ich ein, als sie mich fragte, ob ich mit ihr nach
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