Das Königsmal
Hände gelegt hatte. Niemand hatte den Mut, den Bewusstlosen auf seiner Reise zu begleiten. Niemand wagte es, dem Tod zu begegnen, wenn er an das Bett des Königs treten sollte. Nicht seine furchtlosen Feldherren. Nicht sein kundiger Arzt. Nicht seine Frau, die ihm doch in diesen Stunden hätte beistehen müssen.
Sachte nahm sie die Hand des Königs und drückte sie.
„Die kleine Wäscherin ist bei Euch“, flüsterte sie. „Ich begleite Euch, Sir, und wenn es an der Zeit ist, kehren wir gemeinsam zurück in diese Welt.“
Drei Tage waren vergangen, und an jedem Morgen war die Wintersonne hinter der Stadtmauer aufgegangen und hatte die Gassen der Stadt in fahles, wolkenverhangenes Licht getaucht. Jeden neuen Tag begann der Hofstaat mit neuer Hoffnung, doch der Zustand des Königs veränderte sich nicht. Blass und reglos lag der eben noch so starke und lebenshungrige Mann in seinem Bett. Jeder, der den Ohnmächtigen besuchte, kehrte mit versteinerter Miene und verzweifeltem Blick vom Krankenlager zurück.
Auch Fueren zeigte das Gesicht eines Hoffnungslosen. Der Arzt hatte den König täglich zur Ader gelassen und ihm mit Tinkturen aus belebenden Kräutern die Stirn massiert. Gemeinsam mit Wieb- ke flößte er dem Bewusstlosen Wasser ein, sogar mit einem Schluck Rum hatten sie es versucht. Doch Christian blieb fern und reagierte nicht. Ein Fels, taub gegen jedes Geräusch, unempfindlich gegen jede Berührung.
Das Kriegskabinett war täglich zusammengetreten, um die Lage zu erörtern. Die Soldaten im Lager waren ruhig geblieben, auch wenn in ihren Reihen das Gerücht kursierte, der König ringe mit dem Tod. Doch die Männer vertrauten auf die Kräfte ihres Befehlshabers. In der Vergangenheit war König Christian nach jedem Schlag, nach jeder Krankheit noch stärker ins Leben zurückgekehrt.
Schlimmer stand es um den Feind. Zu allem Unglück war kurz nach dem Unfall des Königs ein Kurier Tillys im Lager eingetroffen, um einen weiteren Brief zu überbringen. In der Verwirrung war es nicht möglich gewesen, eine entsprechende Antwort im Duktus des Königs zu formulieren und das Schreiben mit seinem Siegel zu versehen.
Schließlich hatte man dem Soldaten ein Papier mitgegeben, das versicherte, der Brief werde an den König weitergeleitet. Doch damit konnte sich Tilly kaum zufriedengeben. Die Gerüchte über einen sterbenden Dänenkönig sollten ihm bald zu Ohren kommen, und er würde sie wie einen Fingerzeig seines Gottes deuten.
Es war nur noch eine Frage von Tagen, bis das kaiserliche Heer gegen Hameln marschieren würde. Die Soldaten in der Festung waren deshalb in äußerste Alarmbereitschaft versetzt worden. Kein Bürger durfte die Stadt verlassen, keine Handelskarawane weiterziehen, damit aus den Gerüchten nicht Gewissheit wurde, die den Kaiserlichen außerhalb der Stadtmauern in die Hände spielte und sie zum Angriff verleitete. Die Stadttore wurden scharf bewacht.
General Fuchs hatte bis zum Eintreffen Kronprinz Christians den Oberbefehl über die Truppen erhalten. Christian war sofort aufgebrochen, um schnellstmöglich zu seinem kranken Vater zu kommen, doch die Reise hinunter an die Weser würde einige Zeit dauern – selbst wenn die Reiter an jeder Station frische Pferde erwarteten. Die Zeit spielte gegen die Dänen, und mit jeder Stunde, die verstrich, wurde ihre Mutlosigkeit größer.
Auch Wiebke spürte die Hoffnungslosigkeit, die auf jedermann lastete. Tag und Nacht hatte sie am Bett des Königs gewacht. Sie wusste, dass sie, falls sie ab und zu für wenige Minuten an der Seite des Kranken einnickte, spätestens von Fueren geweckt wurde, wenn der zu seiner stündlichen Visite kam. Auch sie bemerkte keinerlei Veränderung am Zustand Christians, dennoch spürte sie, dass der König kämpfte. Seine Hand, die sie Stunde um Stunde hielt, blieb warm. Sein Puls, den sie immer wieder fühlte, zeigte, dass sein Herz tapfer gegen die Lähmung des Todes anschlug.
Sie hatte beobachtet, wie sich Kirsten Munk bei ihren kurzen Besuchen im Krankenzimmer ihrem Mann kaum nähern konnte. Küsste sie ihn auf die Stirn, so geschah dies nur, weil man diesen Liebesdienst von ihr erwartete. Die Kinder, die nach ihrem geliebten Vater verlangt hatten, waren einmal vorgelassen worden. Stumm und mit fragenden Blicken hatten sie sich an den leblosen Körper geschmiegt. Vor der Tür waren sie in Tränen ausgebrochen, Albträume quälten sie in den Nächten, und sie riefen nach ihrem Vater.
Jetzt am dritten Tag bemerkte
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