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Das Königsmal

Das Königsmal

Titel: Das Königsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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vor einigen Tagen in der prächtigen Stadt eingetroffen. Der Zug über die Furten der Elbe, der Weser entgegen, war gut verlaufen. Seine Soldaten hatten Verden und Nienburg besetzt und die Truppen Tillys zunächst zurückgedrängt. Sein zweiter Sohn Friedrich war auf den Bischofssitz von Verden gewählt worden. In einer prachtvollen Zeremonie war er im Dom der alten Stadt an Aller und Weser in sein Amt eingeführt worden.
    Doch die Zeit wurde knapp, schon ging es auf den Winter zu, und jede Verzögerung würde die Truppen ins Winterquartier zwingen.
    Draußen vor der Stadt hatte man begonnen, das reiche Hameln zu einer Festung auszubauen. Erdwälle wurden aufgeschüttet und tiefe Gräben gezogen. Die Arbeiten schritten zügig voran. Auf einem Inspektionsritt, der für die nächste Stunde geplant war, wollte der König die Wälle kontrollieren.
    Für seine Familie hatte Christian das Haus des Stiftsherrn requiriert, dessen Sandsteinfassade an der Front wunderbaren Schmuck zeigte. Neben den antiken Planetengöttern erschienen zahlreiche biblische Motive: Gottvater, Christus, die Apostel, David, Simson, Kain und Abel. Staunend hatten die Kinder vor dem dreistöckigen Haus gestanden und sich die Figuren von ihm erklären lassen. Sie liebten Geschichten, und Christian erinnerte sich noch gut daran, wie gern er selbst in seiner Kindheit den Erzählungen der Erwachsenen gelauscht hatte. Oft waren die Figuren aus den Märchen, Sagen und Mythen in seinen Träumen wieder aufgetaucht und hat- ten ihm weitere Geschichten eingeflüstert, die sich nach dem Aufwachen wie feiner Nebel im Sonnenlicht verflüchtigten. Doch er hatte sie immer festhalten wollen, und so hatten einäugige Riesen, zierliche Elfen oder Trolle seine bunten Zeichnungen bevölkert, die er freigiebig an die Zofen, Mägde und Köchinnen oder die königlichen Gäste seines Vaters verschenkt hatte.
    Auch jetzt gab er sich den Worten Wiebkes hin, die gerade in einem beschwörenden Flüsterton von wunderlichen Fabelwesen erzählte, denen Menschenkinder in den Wäldern begegnen könnten: kleine Wesen, die im Wurzelwerk der Bäume lebten, schneeweiße Einhörner, die nur bei Vollmond erschienen, gütige Feen in silbrig glänzenden Gewändern, die jeden Wunsch erfüllten, wenn man ihnen einen Traum opferte.
    Wieder legte sich die Ruhe wie ein Zauber über den Saal, und Christian lächelte über die eifrigen Zuhörer, die gierig und Daumen lutschend jedes Wort in sich aufsogen. Zu gern wäre er bei den Kindern geblieben, doch schon hörte er die energischen Schritte von General Fuchs auf dem Flur. Gemeinsam wollten sie die Arbeiten vor der Stadt inspizieren, und so verließ er die vier in anderen Welten Reisenden leise.
    Auf dem Hof warteten bereits die gesattelten Pferde auf die Männer. Als Henning die Stimme des Königs hörte, wandte er ihm freudig seinen schön geformten Kopf zu – so als wollte er seinen Herrn begrüßen. Sanft klopfte Christian ihm auf Hals und Brust und sog den herben Geruch des Tiers ein, dann ließ er sich in den Sattel helfen.
    Der Ritt durch die Stadt zum westlichen Tor hinaus führte über den Marktplatz und am Münster von St. Bonifatius vorbei.
    Nachdem die Stadt eingenommen worden war, hatte Christian einen Dankesgottesdienst in der schönen Hallenkirche des Stifts abhalten lassen. Der Gesang des Chores hatte in seinen Ohren wie himmlischer Jubel geklungen. Er hoffte, dass der Krieg die Stadt verschonen würde, und hatte seine Truppen strengstens dazu angehalten, die Bürger und ihren Besitz nicht anzurühren. Ihm gefiel das heitere Wesen des Ortes, in dem reiche Kaufleute und der Adel miteinander um die schönsten Bauwerke wetteiferten.
    Prächtige Fassaden rahmten das Markttreiben auf den gepflasterten Straßen und verschönerten in ihrer Vielfalt die Mühsal des Alltags. Die verzierten Giebel der Fachwerk- und Sandsteinhäuser mit ihren Schmuckleisten aus Inschriften, Wappen, Masken und Neidköpfen spielten mit den ernsten italienischen Vorbildern und hatten Hameln in die Schönheit der Weserlandschaft eingebettet.
    Vor der Stadt dagegen bot sich ihm ein anderes Bild. Wie von Titanenhand schienen Wälle aus dunkel glänzender Erde aufgeworfen worden zu sein. Tiefe Gräben durchzogen das offene Feld, roh behauene Pfähle sicherten die Erdarbeiten ab. An vielen Stellen waren Soldaten und Schanzknechte dabei, neue Gräben zu ziehen und den Ring um die Stadt zu schließen. Sie fluchten und schwitzten unter der schweren Arbeit.
    Langsam

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