Das Kommando
»Ich bin in der Dusche ausgerutscht.«
»Ach, tatsächlich. Nur gut, dass du dabei nicht auf den Hintern gefallen bist.« Sie wies auf einen der Besucherstühle vor ihrem Schreibtisch. »Setz dich«, forderte sie ihn auf.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, danke… ich möchte lieber stehen.«
»Setz dich«, wiederholte sie mit einer Entschlossenheit, die er noch nie von ihr gehört hatte.
Vorsichtig ließ er sich auf einen der Stühle sinken und sagte mit unaufrichtigem Lächeln: »Bitte. Bist du jetzt zufrieden?«
»Keineswegs.« Sie riss sich die Brille vom Gesicht und stemmte beide Ellbogen auf den Tisch. »Du schuldest mir eine ausführliche Erklärung.« Die reservierte, analytische Kennedy war selbst erstaunt, wie gut es ihr tat, ihrer aufgestauten Wut Luft zu machen.
Rapp zwang sich innerlich zur Ruhe. »Ich glaube, wir sollten uns alle ein bisschen beruhigen.«
»Findest du? Aber lass dir sagen, diesmal bist du weit über das Ziel hinausgeschossen. Wann, verdammt noch mal, wolltest du mir eigentlich deine Schussverletzung gestehen?«
»Na hör mal, Irene, du hast doch genug Sorgen mit deiner Behörde.« Er machte eine wedelnde Handbewegung, als sei es völlig unerheblich, dass jemand auf einen ihrer Spitzenberater und besten Agenten geschossen hatte. »Da brauchst du dir doch nicht den Kopf über jede kleine Verletzung zu zerbrechen, die sich einer deiner Leute draußen einfängt.«
Ein gekränkter und zugleich wütender Ausdruck trat auf ihre Züge. Mit ihren braunen Augen sah sie ihn durchdringend an. »Das tut weh.«
Rapp begriff nicht, was sie meinte. Sein Kopf schmerzte, sein Auge schmerzte, und der Schmerz in seinem Hinterteil machte ihn verrückt. Wie konnten ein paar Worte ›weh tun‹? »Wovon redest du?«
»Von dir«, fuhr sie ihn an. »Du bist nicht einfach irgendeiner meiner vielen Mitarbeiter. Abgesehen von meinem Sohn und meiner Mutter, bist du vermutlich der mir liebste Freund auf der ganzen Welt. Daher wäre ich dankbar, wenn du meine Empfindungen nicht dadurch verletzen würdest, dass du mich als gefühlskalte Chefin hinstellst, die sich keine Sorgen um ihre Leute macht.«
»Das habe ich nicht gemeint«, sagte er kopfschüttelnd.
»Aber gesagt, und natürlich hast du es so gemeint. Kränk mich nicht noch mehr, indem du versuchst, mir deine eigenen Worte im Mund herumzudrehen.«
»Großer Gott im Himmel.« Er erhob sich. »Das ist für mich zu viel Östrogen.«
Unvermittelt stand sie auf und brüllte: »Dann versuch’s mal mit ’nem bisschen Testosteron! Setz dich wieder auf deinen Hintern!«
»Der tut zu weh, vielen Dank!«
»Versuch bloß nicht, mir die Schuld daran zuzuschieben, Mitchell. Das hast du ausschließlich dir selbst zuzuschreiben. Als du mich angerufen hast, weil du wolltest, dass ich dir die Vollmacht für die Vorbereitung der Geiselbefreiung verschaffe, hast du genau gewusst, was du tatest. Du hast gewartet, bis alle Vertreter der Kommandokette friedlich schliefen, und die Sache dann ohne unsere Genehmigung durchgezogen.« Wütend wies sie auf ihn und sagte dann: »Und dann hast du dich mitten ins Getümmel gestürzt, wo es am dichtesten war.«
Sie sah auf den Tisch hinab und nahm eine Akte auf.
»Das ist der Bericht, den Jackson nach Abschluss der Operation verfasst hat. Hast du wirklich angenommen, ich würde das nicht erfahren?« Sie warf die Akte wieder auf den Tisch. »Du bist selbst in das verdammte Lager gekrochen und wärst dabei fast umgekommen.«
»Nun übertreib mal nicht«, erwiderte Rapp spöttisch.
»Von wegen fast umgekommen. Wo, zum Teufel, warst du in den letzten fünfzehn Jahren? Jedes Mal wenn ich zur Tür rausgehe, komme ich fast um. Das gehört zu meiner Arbeit.«
»Jetzt ist damit Schluss. Du bist nicht mehr fünfundzwanzig. Wir haben andere Leute, die den Kopf hinhalten können. Du bist kein einfacher Infanterist, der ein feindliches Ufer erstürmen muss, sondern im Kampf gegen den Terrorismus einer der besten Köpfe hier in der Stadt. Wir können es uns nicht leisten, dich zu verlieren, bloß weil du dich mit deinem Männlichkeitsgehabe in die Schlacht stürzen musst.«
»Bist du jetzt fertig?« Er sah sie herausfordernd an. Ihm war klar, dass sie teilweise Recht hatte; er war aber nicht in der Stimmung, sich noch eine Gardinenpredigt anzuhören. »Könntest du mal eine Weile nicht daran denken, dass ich dich in deinem Ego gekränkt habe, weil ich dich ein paar Stunden lang nicht auf dem Laufenden gehalten habe, und mir dafür
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