Das Kommando
Terroristengruppen für den Anschlag verantwortlich sein, würden der Kronprinz und die übrigen Vertreter des Hauses Saud ihre Brieftaschen zuklappen und gegen sie so rabiat vorgehen wie noch nie zuvor. Der Kronprinz hatte dem Botschafter sehr nahe gestanden, denn sie waren nicht nur zusammen zur Schule gegangen, sondern auch wie Brüder aufgewachsen. Alles in allem war Prinz Bin Asis das ideale Ziel für einen solchen Anschlag, der sich nirgends medienwirksamer inszenieren ließ als in den Vereinigten Staaten.
Mehrere Dinge aber passten nicht zueinander. Da war zum einen dieser geheimnisvolle Unbekannte, von dem man wusste, dass er in den vergangenen vierzehn Tagen zweimal mit Prinz Omar zusammengetroffen war. Dann war da die Aufzeichnung eines Gesprächs durch die Briten, bei dem es um Geld und Krieg gegangen war. Noch beunruhigender als diese beiden Punkte war natürlich das plötzliche Auftauchen dieses Unbekannten in New York und Washington.
Möglicherweise ließe sich all das als irgendeine exotische Machenschaft des Mossad erklären, mit der Israel die Palästinenser in die Defensive treiben, der UNO eine lange Nase drehen und einen Keil zwischen die Vereinigten Staaten und Saudi-Arabien treiben wollte. Rapp konnte sich gut vorstellen, warum Freidman einen solchen Schlag führen würde, zu dem allerdings eine etwas verquere Weltsicht gehörte. Immer mehr palästinensische Selbstmordattentäter opferten sich im Kampf gegen Israel, und Männer wie Goldberg und Freidman sahen Handeln grundsätzlich als besser denn Nichthandeln an. Doch ein Punkt passte ganz und gar nicht zu einer solchen Deutung.
Rapp las das Fax noch einmal. Das von Dumond ausgegrabene Beweisstück ließ alles, was sie bisher wussten, in einem gänzlich anderen Licht erscheinen. Gerade wollte Rapp seiner Vorgesetzten mitteilen, was er von dem jungen Hacker bekommen hatte, als ein Marineoffizier auf ihn zutrat und ihm sagte, er habe einen wichtigen Anruf für ihn.
69
Beide Ellbogen auf den langen, polierten Konferenztisch gestützt, der den Lageraum beherrschte, beugte sich Präsident Hayes in seinem Ledersessel vor. Eine Hand umklammerte den weißen Hörer seines abhörsicheren Telefons, die andere hielt er vor die Augen, als wolle er jede Ablenkung von sich fern halten. Er sprach mit dem saudischen Kronprinzen, einem Mann, den er als seinen Freund betrachtete. Er war überzeugt, dass der Prinz ein friedliches Zusammenleben der Völker in Ost und West wünschte, aber unglücklicherweise herrschte er über ein Volk, dessen Mehrheit religiöse Parolen und aufrührerische Reden höher schätzte als Aufklärung und Freiheit.
Der Präsident wusste, dass der Kronprinz und sein Vetter einander nahe gestanden hatten. Das machte den Anruf schwierig genug, aber er fiel ihm auch deshalb schwer, weil ihm das Vorgefallene zutiefst peinlich war. Wie konnte ein solches Attentat auf amerikanischem Boden stattfinden, nur wenige hundert Meter vom Weißen Haus entfernt, in dessen Oval Office der Botschafter einige Minuten zuvor ein Ultimatum überbracht hatte? Es gab in Washington Verfechter eines harten Kurses, die dieses Ultimatum, bei dessen Missachtung die ohnehin kränkelnde amerikanische Wirtschaft abzustürzen drohte, als gleichbedeutend mit einer Kriegserklärung auffassen würden.
Beim Gedanken, dass die Übermittlung des Ultimatums der Öffentlichkeit bekannt werden könnte, überfiel den Präsidenten einen Augenblick lang ein Schwindelgefühl. Die Vermengung der Tatsachen nach dem Motto Saudi-arabischer Botschafter ist ins Weiße Haus gekommen, hat ein Ölembargo angedroht und wurde, kaum dass er den Präsidenten verlassen hatte, durch eine Autobombe getötet wäre nicht nur Wasser auf die Mühlen der links orientierten Gegner der auf Erdöl gestützten Energiepolitik, sondern auch ein gefundenes Fressen für alle Verschwörungstheoretiker. Vermutlich war es so gut wie unmöglich, die Sache unter Verschluss zu halten. Es spielte keine Rolle, dass den Präsidenten keine Schuld traf; immer würde es Menschen geben, die überzeugt waren, dass er oder jemand in seiner Regierung bei dem Attentat auf den Botschafter seine Hand im Spiel hatte.
Beim Versuch, den Kronprinzen zu trösten, erklärte der Präsident immer wieder sein Bedauern über die Katastrophe und versprach dafür zu sorgen, dass die Verantwortlichen gefasst und vor Gericht gestellt würden. Etwas in der Stimme des Kronprinzen sagte ihm, dass ihm dieser nicht glaubte. Schließlich
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