Das Kommando
sein mochte. Er zögerte ein wenig und zwang dann seine Füße, den kurzen Weg zur bezeichneten Tür zurückzulegen. Es kam ihm so vor, als erwarte ihn dahinter etwas, das ihm nicht gefallen würde. Als er sie öffnete, zeigte sich, dass ihn sein Gefühl nicht getrogen hatte.
Im schwachen Licht der Lampe saß Abe Spielman an seinem üblichen Platz am anderen Ende des Besprechungstischs, doch war er diesmal nicht allein. David sah nur einen Schatten, aber mehr war auch nicht nötig. Der riesige kahle Schädel und die breiten Schultern des Mannes neben Spielman konnten nur einem gehören: Ben Freidman, Direktor des Mossad. Vielen Menschen flößte der bloße Name Hass und Angst ein. David empfand bei seinem Anblick widerwilligen Respekt.
Vermutlich wurde im ganzen Westjordanland niemandem mehr Abscheu entgegengebracht als Ben Freidman. Seine Aufgabe war es, einen verdeckten Krieg gegen Israels Feinde zu führen. Während die israelischen Streitkräfte den Auftrag hatten, mehr oder weniger offen gegen die verschiedenen Terroristengruppen vorzugehen, die in den besetzten Gebieten ihr Unwesen trieben, fielen dem Mossad die besonders unangenehmen Aufgaben zu, und im Verlauf der vergangenen zwei Jahrzehnte hatte Freidman einen großen Teil dieser Einsätze abgesegnet.
Allmählich hatten sich Davids Augen an das Halbdunkel gewöhnt, und so konnte er den Mann besser erkennen. Obwohl sich die beiden Feinde noch nie begegnet waren, betrachteten sie sich mit der Vertrautheit von Männern, die schon ihr Leben lang miteinander rivalisieren. Keiner sagte etwas, und die Spannung steigerte sich immer mehr.
Spielman, der befürchtete, dass sich sein Freund auf dem Absatz umdrehen und hinausgehen könnte, bat um Entschuldigung. »Jabril, es tut mir Leid, Sie auf diese Weise zu überraschen, aber ich kann es erklären.«
David sah von Freidman zu seinem alten Freund hinüber. Er beschloss, erst einmal nicht zu antworten.
Zwar hatte es ihn unerwartet getroffen, dass sie nicht mehr ohne Zeugen über ihre Pläne sprechen würden, doch war ihm klar, dass ihn Freidmans Anwesenheit eigentlich nicht hätte überraschen dürfen. Was er Spielman bei ihrer letzten Begegnung mitgeteilt hatte, war durchaus dazu angetan, im ›Institut‹, wie Eingeweihte den Mossad zu nennen pflegten, Aufmerksamkeit zu erregen.
Langsam trat er näher zu den beiden und nahm sich einen Stuhl – ein paar Schritte von Spielman entfernt, nicht wie sonst direkt neben ihm. Die damit verbundene Aussage war klar; er würde sich anhören, was der Dritte zu sagen hatte, aber die Situation war nicht wie immer. Außerdem hoffte er, auf diese Weise das Misstrauen auszudrücken, mit dem er einem Ungeheuer wie Freidman begegnete. Sein pragmatischer Geist sagte ihm allerdings, dass es hier um Ursache und Wirkung ging, denn der Direktor des Mossad war ein Verhängnis, das die blutrünstige palästinensische Führung selbst ins Leben gerufen hatte.
In geschäftsmäßigerem Ton als sonst sagte er, wobei er Spielman ansah: »Ich wusste gar nicht, dass wir Gäste mitbringen dürfen. Sicher hätte ich auch jemand Passendes gefunden.«
Der alte Professor lachte nicht. »Glauben Sie mir, es war nicht meine Idee.« Innerlich schäumte er nach wie vor darüber, dass Freidman auf eine Weise, die keinen Widerspruch duldete, erklärt hatte, er werde an der Besprechung teilnehmen.
Das passte in keiner Weise zu seiner Gewohnheit aus der Zeit, als er noch selbst Operationen durchführte, nämlich nach Möglichkeit zu vermeiden, dass seine Vorgesetzten mit einem seiner Informanten zusammentrafen. Spielman hielt Freidman nicht nur für pedantisch und tückisch, er war auch überzeugt, dass dieser Mann zusätzlich Öl in die Flammen des Hasses zwischen Israelis und Palästinensern goss. Menschen wie er konnten die schwer erkämpfte und empfindliche Freundschaft zerstören, die er zu Jabril aufgebaut hatte.
David kannte seinen alten Freund gut genug, um zu erkennen, dass er es ehrlich meinte. Er nickte ihm unmerklich zu zum Zeichen, dass er zumindest einstweilen bereit war, ihm zu glauben.
Freidman beugte sich vor, sodass sein Gesicht aus dem Schatten herauskam, legte seine muskulösen Unterarme auf den Tisch und fragte mit krächzender Stimme: »Sie wissen, wer ich bin?«
»Selbstverständlich.« Es gelang David, den Eindruck zu erwecken, als lasse ihn das kalt. Er hatte die schmale Akte der PLO über diesen Mann gelesen und viele Geschichten über ihn gehört. Freidman war 1949 in
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