Das Kommando
Jerusalem zur Welt gekommen und war, weil er sich im Sechstagekrieg von 1967 ausgezeichnet hatte, zur militärischen Abwehr Israels und später zum Mossad versetzt worden. Dort wurde er ein ausgesprochen tüchtiger kidon. Mit dieser Bezeichnung, die wörtlich ›Bajonett‹ bedeutet, sind Menschen gemeint, die sich darauf spezialisiert haben, andere zu töten. Mit besonderer Vorliebe jagte Freidman Angehörige von Jassir Arafats Force 17. Seine Fähigkeit, beharrlich Menschen über mehrere Kontinente hinweg zu verfolgen, machte ihn im Kampf um die Sicherheit seines Volkes zu einem weithin gefürchteten Gegner.
»Ich habe Sie viele Jahre beobachtet«, sagte Freidman , »und mich schon eine ganze Weile auf den heutigen Tag gefreut.«
David fragte sich, ob er damit ihre Begegnung oder den Wunsch meinte, ihm seine mächtigen Pranken um den Hals zu legen und ihn zu erwürgen. Möglicherweise war es ein wenig von beidem, denn er zweifelte nicht daran, dass Ben Freidman aus demselben Holz geschnitzt war wie die militanten Terroristen, die sein eigenes Volk unter der Fuchtel hatten. Ein Feind war ein Feind. Man machte keine Unterschiede und nahm Individuen nicht wahr. Auf diese Weise ließ es sich wunderbar vermeiden, über die Zusammenhänge nachzudenken. Die Israelis verdammten die gesamte palästinensische Gesellschaft in den Abgrund der Hölle und diese im Gegenzug die israelische. Eine solche Haltung gestattete es diesen Männern, ins Blaue hinein Angriffe zu führen, ohne sich darum zu kümmern, wer dabei ums Leben kam. Da sie ihr Tun für gerechtfertigt hielten, konnten sie nachts ruhig schlafen und behaupten, für die gerechte Sache zu kämpfen.
David hatte über all das nachgedacht und hätte diesem »Engel der Finsternis«, der ihm da gegenübersaß, gern eine ganze Reihe von Fragen gestellt. Aber es galt, Zeitpläne einzuhalten, Ziele zu erreichen und ein Land ins Leben zu rufen. Ein wenig tröstete ihn das Bewusstsein, dass dieser Mann im Verlauf der nächsten beiden Wochen einem Druck ausgesetzt sein würde, wie er ihn nie zuvor gespürt hatte.
Also schob David all diese Überlegungen beiseite, schluckte seinen Stolz herunter und sagte: »Auch ich habe mich darauf gefreut, Ihnen einmal zu begegnen.«
Auf Freidmans Züge trat ein spöttisches Lächeln, das wohl anzeigen sollte, dass er die Aufrichtigkeit dieser Aussage anzweifelte. Dann aber sagte er: »Entschuldigen Sie bitte mein Misstrauen, Jabril, aber verraten Sie mir doch, welchen Grund könnten all diese Menschen haben, die große Gefahr auf sich zu nehmen, die es bedeutet, heute Abend zusammenzukommen?«
David hätte gern gewusst, wie gut Freidman informiert war. Höchstwahrscheinlich hatten ihm Informanten Einzelteile des komplizierten Puzzles geliefert. Zwar würde jedes für sich genommen nichts beweisen, doch konnten sie den Grad seines Zynismus beeinflussen. So blieb er bei der Wahrheit und antwortete: »Es ist nicht besonders ungewöhnlich, dass sie unter einem Dach zusammenkommen.«
Der andere sah zweifelnd drein. »Eine Zusammenkunft der Hamas-Führer, des Leiters des palästinensischen Geheimdiensts und der Anführer von Force 17 , bei der sie die Vernichtung meines Volkes planen, soll ein nicht ungewöhnliches Vorkommnis sein?«
David ließ sich nicht beirren. »So ist es.«
»Es fällt mir schwer, zu glauben, dass sie es in ein und demselben Raum miteinander aushalten können.«
»Man könnte sagen, dass das einigende Band der Hass auf Sie ist… und ihre Geldgier.«
Allmählich ergaben die Dinge für den Direktor des Mossad einen Sinn. Er hatte ursprünglich angenommen, dieser Jabril sei lediglich als Vertreter der Finanzierungsseite zu diesem Gipfeltreffen von Terroristenführern eingeladen worden, begriff aber jetzt, dass mehr dahinter stecken konnte. Möglicherweise war der Mann, der über die Gabe verfügte, Geldquellen sprudeln zu lassen, tatsächlich in der Lage, solche Zusammenkünfte einzuberufen, um dabei die Mittel zu verteilen. In seinem Hinterkopf meldete sich etwas, das er kürzlich erfahren hatte, und er nahm sich vor, einem Hinweis, über den ihn einer seiner Leute am Vormittag unterrichtet hatte, etwas genauer nachzugehen. Er sah David an und fragte: »Und was ist mit Ihnen? Was hassen Sie – oder sollte ich besser sagen, wen?«
»Ich bemühe mich, nicht zu hassen. Hass ist der Vater unbesonnener Entscheidungen.«
Freidman lachte spöttisch. »Er kann aber auch Menschen zu erstaunlichen Leistungen
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