Das Kommando
Geiseln nach einem wohl überlegten Plan befreien würden, wenn sie das Lager der Abu Sayyaf erst einmal gefunden hatten.
Der Zusammenprall dieser beiden Trupps konnte rasch zu einem Massaker ausarten, wobei die Aussichten nicht besonders gut standen, dass die Andersons lebend davonkamen. Das Schicksal hatte es so gewollt, dass sich alle an diesem Drama Beteiligten in einem sehr kleinen Gebiet befanden, und die Zeit wurde allmählich knapp. Falls es Rapp nicht gelang, dafür zu sorgen, dass jemand die philippinische Sondereinheit zurückpfiff, konnte aus seinem Ausflug ans andere Ende der Welt rasch ein Debakel werden.
Da es klüger war, im Lager der philippinischen Sondereinheit nicht offen über diese Dinge zu sprechen, rief Rapp lediglich seine Vorgesetzte an. Der Zeitunterschied zu Washington betrug vierzehn Stunden, mithin endete Irene Kennedys Arbeitstag in Langley gerade, als für ihn der neue Tag auf den Philippinen begann. Er trug ihr zwei Anliegen vor. Als Erstes sollte sie General Flood bitten, dafür zu sorgen, dass sein Kollege Rizal in Manila die Sondereinheit im Lager festhielt, bis die Amerikaner einen durchführbaren Plan hatten; als Ergebnis seiner zweiten Bitte würde er im nächsten Augenblick auf der Belleau Wood landen, die dank der Kraft ihrer gewaltigen Zwillingsschrauben die Philippinische See mit zwölf Knoten durchpflügte und dabei ein schäumendes Kielwasser hinterließ, so weit das Auge reichte. Um sie herum waren Begleit und Hilfsschiffe rautenförmig zu einem Konvoi angeordnet, der sich über mehrere Seemeilen erstreckte.
Im Osten zogen Gewitterwolken auf. Zuerst hatte Rapp darüber geflucht, inzwischen aber überlegte er, auf welche Weise sich das ungünstige Wetter zu ihrem Vorteil nutzen ließ.
Als der Hubschrauber des philippinischen Heeres auf dem riesigen Deck weit vor den hoch aufragenden Aufbauten der Belleau Wood landete, schoss er wie ein Blitz zur Tür hinaus und machte sich auf dem kürzesten Weg zur Kommandobrücke auf. Er war schon zuvor auf Kriegsschiffen der US-Marine gewesen und kannte sich aus. Nach wenigen Schritten stellte sich ihm ein Offizier in den Weg und hielt ihm die Hand hin.
»Mr. Rapp«, rief er, »ich bin Lieutenant Jackson. Freut mich riesig, Sie zu sehen.«
Rapp ließ zu, dass ihm der Mann die Hand überschwänglich schüttelte. Auch ohne den glänzenden Dreizack auf dessen Khakiuniform hätte er sofort gewusst, dass er einen SEAL vor sich hatte. Dazu genügte ein Blick auf seine unüblich langen Haare, den Kinnbart und den durchtrainierten Körper. »Zu Ihnen wollte ich«, sagte er.
Jackson lächelte breit. Wie die meisten seiner Kollegen wusste er alles über Mitch Rapp. Er sah ein gutes Zeichen darin, dass er auf der Belleau Wood auftauchte.
»Ich habe Befehl, Sie sofort zum Kommandanten zu bringen.«
Jackson verschwand durch die Stahltür, und Rapp folgte ihm. Über steile Eisentreppen ging es mehrere Decks hinab und schließlich durch einen engen Gang. Vor einer grauen Tür, auf der in schwarzer Schablonenschrift CAPTAIN FORESTER stand, blieben sie stehen.
Jackson klopfte zweimal an. Er brauchte nicht lange auf das Herein zu warten. Er überschritt vor dem Besucher die Schwelle, salutierte und machte Meldung: »Mr. Rapp, Captain.«
Sherwin Forester, der Kommandant der Belleau Wood , legte das Buch auf den Tisch, in dem er gelesen hatte, und stand auf. Mit seiner Größe von über einem Meter neunzig stieß er fast an die Decke der Kabine.
»Danke, Lieutenant.« Der Kommandant kam über den blauen Teppich auf den Besucher zu, hob die buschigen Brauen und erklärte mit jungenhaftem Lächeln:
»Heute ist für mich ein ganz besonderer Tag, Mr. Rapp. In meinen einundzwanzig Dienstjahren habe ich noch nie einen persönlichen Anruf vom Vorsitzenden der Vereinigten Stabschefs bekommen – noch dazu auf hoher See.«
Rapp erwiderte das Lächeln. Der Mann war ihm auf Anhieb sympathisch. »Ist das gut oder schlecht, Sir?« Forester dachte einen Augenblick lang nach. »Ich sitze nicht gern herum und drehe Däumchen, schon gar nicht nach dem, was neulich vorgefallen ist. Deshalb denke ich, dass es gut sein könnte, wenn jemand mit Ihrem Ruf auf meinem Schiff auftaucht.«
Rapp nickte. Das schien kein als Offizier verkleideter Bürohengst zu sein, sondern ein Soldat von echtem Schrot und Korn. »Ich glaube, was ich Ihnen zu sagen habe, wird Ihnen gefallen.«
»Gut. Setzen wir uns doch.« Der Kommandant ging seinem Besucher voraus zu einer Sitzecke,
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