Das Kommando
das Leben einer amerikanischen Familie von ihm ab. Mutter, Vater und drei kleine Kinder. Denken Sie einmal einen Augenblick lang darüber nach.« Sie sah Anna forschend an.
»Würden Sie denen das Geschenk des Lebens, das Sie von Ihrem Mann empfangen haben, verweigern?«
Auf eine solche Frage war Anna offenkundig nicht gefasst. Sie hatte gewusst, dass Kennedy beim Bankett anwesend sein würde, und hatte sich ihre Begegnung in Gedanken ausgemalt. In diese Richtung aber waren ihre Überlegungen dabei nicht gegangen. Nie war ihr der Gedanke gekommen, sie könne in die Defensive gedrängt werden, wohl aber hatte sie sich ausgemalt, dass Kennedy ihr zuhören und klein beigeben musste. In ihrer Vorstellung war sie stets Herrin der Lage gewesen.
Langsam schüttelte sie den Kopf. Vor ihr inneres Auge traten Bilder jener Nacht, in der ihr Mitch das Leben gerettet hatte – so lange lag das noch nicht zurück. Dann wandten sich ihre Gedanken den auf den Philippinen entführten Andersons zu. Vermutlich waren das die Leute, von denen Kennedy sprach. Anna hatte Fotos der Eltern und der süßen kleinen rothaarigen Kinder gesehen. Unmöglich konnte man wünschen, dass sie nicht gerettet wurden. Sie richtete sich ein wenig straffer auf und versuchte, die richtigen Worte zu finden. »Es würde mir schon helfen, wenn ich wüsste, wo er sich aufhält und was er tut.«
Kennedy nickte befriedigt. Augenscheinlich hatte sie erreicht, dass die junge Frau nicht mehr nur an sich selbst dachte.
»Ich mache mir Sorgen um ihn.« Anna dachte an ihre Hochzeitsreise und die Narben auf dem Körper ihres Mannes. Ihre Augen wurden feucht. »Ich habe Angst, dass er eines Tages nicht mehr zurückkommt.«
Kennedy empfand aufrichtiges Mitgefühl mit der frisch vermählten Frau. Sie fasste sie an der Schulter und sagte mit einem Lächeln: »Auch ich habe mir immer Sorgen um ihn gemacht, bis ich begriffen habe, dass sich die auf der anderen Seite Sorgen machen müssen.«
Anna tupfte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und sagte mit vor Sarkasmus triefender Stimme:
»Wunderbar. Da geht es mir doch gleich viel besser.« Kennedy lächelte. »Machen Sie sich um Mitch keine Sorgen. Ich kann Ihnen versichern, dass er sich fern von jeder Gefahr befindet. Er hilft bei der Planung der Rettungsaktion mit, wird aber nicht selbst daran teilnehmen.«
Argwöhnisch, aber zugleich auch hoffnungsvoll fragte Anna: »Stimmt das auch?«
»Ja«, nickte Kennedy.
Anna stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Das ist gut. Ich weiß wirklich nicht, wie ich es ertragen sollte, wenn er nicht wiederkäme.«
Kennedy bemühte sich, die Dinge aus dem Blickwinkel der Jüngeren zu sehen. Die Zeit, in der sie selbst verliebt gewesen war, lag lange zurück, und es bestand die Möglichkeit, dass ihre Empfindungen für ihren Mann nie so tief gewesen waren wie die Annas für Mitch. Mit ihrer Hochzeit hatten die beiden eine Leidenschaft besiegelt, die in der Mitte des Kampfes aufgeflammt war. Mitch hatte ihr das Leben gerettet, und dann hatte sie ihm gegeben, wonach er sich insgeheim schon immer gesehnt hatte: ein wirkliches Leben.
Viele Male hatte sich Kennedy um ihn gesorgt, wenn er unterwegs war, um einen Auftrag auszuführen. Sie liebte ihn wie einen Bruder und konnte nachts oft lange nicht einschlafen, weil sie sich solche Gedanken um ihn machte. Sie sah Anna mit ungewöhnlich warmem Lächeln an und sagte: »Ich weiß, was er Ihnen bedeutet. Falls ich helfen kann, Ihre Sorgen zu lindern oder Ihre Fragen zu beantworten, werde ich das tun.«
Dies großzügige Anerbieten, das sie von dieser Frau nie erwartet hätte, verblüffte Anna so sehr, dass sie nur ein Lächeln und ein »Danke« zustande brachte.
»Selbstverständlich alles ganz inoffiziell und ausschließlich für Sie bestimmt«, fügte Kennedy mit ernster Miene hinzu.
»Natürlich.« Anna nahm einen Schluck aus ihrem Glas und musterte die Vorgesetzte ihres Mannes aufmerksam. Vielleicht hatte sie Irene Kennedy falsch eingeschätzt.
34
Coleman und Wicker hatten die Hügelkuppe unbehelligt verlassen und arbeiteten sich durch den dichten Dschungel vor, um wieder zu Hackett und Stroble zu stoßen. Obwohl es ständig bergab ging, dauerte es zwei Stunden, bis sie ihre Kameraden erreichten, da sie die Pfade mieden, welche die üppige Vegetation in alle Richtungen durchzogen.
Die letzten rund dreißig Meter legten sie auf dem Bauch kriechend zurück. Dank ihrer GPS-Ortungsgeräte fanden sie Hackett und Stroble, die sich
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