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Das kommt davon, wenn man verreist

Das kommt davon, wenn man verreist

Titel: Das kommt davon, wenn man verreist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
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mußt
nicht so furchtbar stark und technisch begabt sein, du mußt das wirklich nicht.
Wir machen das gerne, auch ohne uns deshalb männlich überlegen zu fühlen.«
    Rieke schwieg. Sollte sie ihnen die Tragödie
ihrer Kinderzeit erzählen? Sollte sie erzählen, daß sie einmal ein riesiges
Elefantenküken gewesen war und sich täglich gegen die Hänseleien ihrer
Mitschüler wehren mußte, am wirkungsvollsten im Kraftakt, will heißen, die
Lästerer aufs Kreuz legen und auszählen?
    Wenn man so aggressiv aufgewachsen war bei
gleichzeitigem, mimosenhaftem Innenleben, entwickelte man zum Schutze desselben
einen vorbeugend robusten Abwehrstil und eine Selbständigkeit, die sich später
nie mehr ablegen ließ, auch einem Mann zuliebe nicht.
    Während sie den Reifen wechselten, soff
Plumpsack das Weckglas mit der Tümpelbrühe leer.
    »Wo kriegen wir jetzt frische Amöben her?«
    Bussi Laube und Gundi wußten es auch nicht, aber
dafür war ihnen Maxi Mosers Codewort bekannt. Es lautete »Weißbier«.
     
    »QRZ für Weißbier von Moctezuma! — Weißbier,
bitte kommen —« Bob steckte verärgert das Mikrophon fort. »Weißbier meldet sich
nicht.«
    »Wir haben auch keine Zeit für Süßholzraspeln«,
sagte Rieke. »Wir müssen jetzt nämlich dichten.«
    »Nein.«
    »Doch, und zwar einen Sechszeiler. Den müssen
wir auswendig lernen und beim nächsten Streckenposten aufsagen.«
    »Nein, Friederikus, alles tu ich — buddeln,
fischen, sägen, kopfstehen, sogar Knöpfe annähen — aber dichten ist nicht
drin«, weigerte sich Bob entschieden.
    Und Pepe? Der konnte plötzlich kein Deutsch
mehr. Also Friederike. Sie kroch seufzend in ihren Sitz hinein und hielt sich
die Ohren zu wegen der Konzentration. Bob Taschner schaute ab und zu auf die
heftige Stille neben sich, sah ihren Mund lautlos Worte formen, sah sie die
Finger aus den Ohren nehmen, eine Zeile schreiben, wieder ausstreichen,
drüberdichten, den Zettel zerknüllen und einen neuen beginnen.
    »Poesie macht ihr offensichtlich
Schwierigkeiten«, meinte Pepe von hinten.
    »Wem nicht?«
    Endlich hatte Rieke ihr Werk zusammengestümpert,
war einerseits darüber erleichtert, andererseits verlegen.
    »Es ist schon ziemlich beknackt.«
    »Wir erwarten nichts anderes«, versicherte Bob.
    »Dann lese ich jetzt vor. Überschrift: eine
Juxrallye.« (Räuspern.)
    »Rieke
Birkow kommt mit Sixten,
    zieht
jedoch per Los
    den
Bob. Ach, verflixten.
    Der
will Vera.
    Ach,
nun hat er bloß die Vera
    und
das >Weißbier< in sein Kopp.
    Niemand
ist darüber froh.
    Pepe
kommt aus Mexiko.
    (Und voll Erleichterung zum Schluß ein Kinderreim:)
    Dreht
euch nicht um,
    der
Plumpsack geht um.
    Das sind fünf Zeilen mehr als vorgeschrieben.
Das gibt Extrapunkte«, freute sich die Dichterin, und ihre Partner
applaudierten so heftig, daß Plumpsack aufwachte und vorbeugend knurrte.
    Das nächste Rallyeziel war ein Dorf, dessen
bäuerliche Idylle noch nicht von der Einfallslosigkeit moderner Bungalows
zerstört worden war.
    Hölzerne Balkone voller Blumenpolster und
Bienengesumm.
    Mittagsstille. Mistgeruch. Absolute Leere. Nicht
einmal ein Huhn war unterwegs, auch keine Hunde oder Katzen. Die kühlten um
diese Tageszeit ihre satten Bäuche auf den Steinböden dämmriger Hausflure.
    Nur um den hohen Maibaum mitten im Ort standen
mehrere Teams mit Genickstarre und Ferngläsern, denn — »PRÜFT EURE AUGEN UND
ZÄHLT SEINE WEISS-BLAUEN streifen!«
    Norbert Hagedorn, der Ehrgeizer, war gerade bei
»einundsiebzig — zweiundsiebzig — dreiund...« angelangt, da sagte seine
Partnerin Dagy ungeduldig: »Geh, Nor-bertl, schleich di, sonst kumma nimmer
weiter.«
    Am liebsten hätte er die dumme Gans erschlagen,
denn nun mußte er wieder ganz unten mit dem Zählen beginnen.
    Pepe bat seinen Bruder, einmal um den Maibaum
herumzufahren. Dann riet er ihm: »Bleib ruhig sitzen, ich komme gleich wieder«,
und stieg mit Plumpsack aus. Während der Hund sich am unteren Ende des Baumes
auspinkelte, zückte Pepe einen schwarzen Gegenstand und drückte mehrmals
bedeutungsvoll darauf — ein Gehabe, das Norbert Hagedorn argwöhnisch verfolgte.
Eine Minute später fuhr Team Sieben die Dorf Straße hinunter, und Norbert fiel
über Dagy her: »Was sagst! Mit einem Taschenrechner hat er’s heraus gehabt — in
Null Komma nix!«
    Alles hatte Norbertl mitgenommen auf diese
Rallye, bloß keinen Taschenrechner!
    Pepe übrigens auch nicht. Er hatte nur sein
schwarzes Notizbuch so gehalten als ob.
    Und seine Freude über den

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