Das kommt davon, wenn man verreist
den Arm um Vera gelegt, ließ kein
lachendes Auge von ihr. Vera redete in ihren Vortrag hinein, das kränkte die
Dichterin. Aber sie ließ sich nichts anmerken.
»Rieke
Birkow kommt mit Sixten,
Zieht
jedoch per Los
Den
Bob. Ach, verflixten,
Der
will Vera.
Ach,
nun hat er bloß die Vera
Und
das >Weißbier< in sein Kopp.
Niemand
ist darüber froh.
Pepe
kommt aus Mexiko.
Dreht
euch nicht um,
Der
Plumpsack geht um.«
Beifall dröhnte vom Turm herab über die Wiesen
und den steil abfallenden Wald.
Tief unten lag zwischen grünen Ufern, von einer
leichten Brise onduliert, der See voller Segelboote mit bunten Spinnakern: eine
Regatta der Schmetterlingsflügel. »Kommen Sie«, sagte Bob zu Rieke, die sich
von diesem Blick nicht trennen konnte, »wir müssen leider weiter.«
Sie eilten neuen Fleißaufgaben entgegen.
»Was ist es denn diesmal?« fragte Bob seine, den
dritten Etappenzettel studierende Partnerin.
»BESORGT EINEN WECKER, DER NOCH KLINGELT.«
»Aha, und wo?«
»Vermutlich im nächsten Ort.«
»Heißt das, wir gehen von Haus zu Haus und
erzählen den Bauern, wir befänden uns auf einer Juxrallye und hätten die
Aufgabe, einen Wecker aufzutreiben, der noch bimmelt und ob sie einen hätten —?
Im harmlosesten Fall werden sie uns versichern, daß sie schon besser verscheißert
worden sind.«
»Und im schlimmsten?«
»Mistgabel oder Hofhund.«
Rieke hielt sich instinktiv den Hintern.
»Trotzdem, wir brauchen einen Wecker.« Denn inzwischen hatte auch sie das
Jagdfieber gepackt.
Sie parkten den Wagen mit Pepe unter einer Buche
und gingen bis zum ersten Anwesen gemeinsam. Dann trennten sich ihre Wege. Bob
übernahm die linke Ortshälfte und Rieke die rechte. Plumpsack jachelte weiter
geradeaus.
Beim ersten Haus hatte sie noch Hemmungen, als
sie anklopfte. Aber die Frau, die zwischen den rosa Begonien ihres Holzbalkons
auftauchte, unterbrach Rieke, bevor sie recht den Mund aufgemacht hatte.
»I woaß, i woaß! An oiden Wecker suchen S’.«
»Ach, war schon jemand deswegen hier?«
»Jemand? Sie san heuer die vierte —!!«
Und deshalb war bei ihr auch keiner mehr zu
holen. Anschließend stand Rieke in einer niedrigen Küche zwischen Katzen,
Kindern und verstreut herumliegender Arbeitskleidung — eine junge Bäuerin
durchwühlte die Unordnung, bis ein Zustand wie nach einem mittleren Erdbeben in
der Küche herrschte.
Sie wußte genau, daß die Kinder mit einem alten
Wecker spielten, noch gestern hatte sie ihn gesehen, und irgendwo mußte er ja
sein, nicht wahr?
Dann kam die alte Bäuerin herein und sagte, da
könne sie lange suchen, den Wecker habe sie vorhin einem jungen Mann verkauft.
»Für zehn Markl!«
Der Jungen war der Wucher peinlich, der Alten
überhaupt nicht. Wenn einer unbedingt etwas haben wollte, wovon es fast nichts
gab, dann zahlte er auch jeden Preis dafür — egal, ob das Ding ihn wert war
oder nicht.
Auf dieser Einstellung basierte schließlich auch
der Antiquitätenhandel.
Rieke schied herzlich von den beiden. Mistgabel
und Hofhund hatte sie befürchtet — und was fand sie statt dessen vor?
Verständnis und die Bereitschaft, jede Gaudi zu unterstützen.
Nette Menschen waren das hier. Wenn se nur das
Bayerische besser verstehen würde. Die junge Bäuerin hatte ihr zum Abschied
noch einen Rat gegeben. Darin kamen die Worte »Wirtschaft«, »Der Wirt is mei
Schwager« vor, und aus den begleitenden Gesten entnahm Rieke, daß er für »so a
resches, gstandenes Weibsbuid«, wie sie selber eines sei, ein Auge und
vielleicht auch seinen eigenen Wecker übrig habe.
Sie rannte trotz der Hitze zur Wirtschaft
hinüber, besorgt, es könnte ihr einer zuvorkommen.
Leider war nur die Wirtin hinter der Theke, und
die hatte überhaupt kein Auge für Riekes resche Vorzüge. Trotzdem bestellte sie
»eine Limo und einen alten Wecker mit Schlag« bei ihr. Die Wirtin erinnerte
sich, daß noch einer von der letzten Bedienung oben in der Kammer sein müßte.
Sie rief nach ihrer Tochter, die im Hof spielte, und schickte sie auf die
Suche.
So kam Rieke zu einem bildschönen, maigrün
emaillierten, einbeinigen, einzeigrigen Wrack. Es ließ sich zwar nur mehr mit Hilfe
einer Zange aufziehen, aber es hatte noch Schlag! Die Kostbarkeit an ihren
Busen gepreßt, verließ sie in dem Augenblick die Wirtschaft, als Busse Laube um
die Ecke bog, an seinem Gürtel Plumpsack hinter sich herziehend.
»Der ist das einzige, was ich hier hab’
auftreiben können. Am Waldrand oben war er einer Katze
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