Das Komplott der Senatoren (German Edition)
Geld, Briefe, er hatte schon einen Präservativ gefunden, original verpackt, glücklicherweise. Eine Minute vor fünf, und prompt fiel ein dünnes Bündel zusa m mengefa l tete Papiere auf seinen Schreibtisch. Der liebe Gott wollte ihn ärgern, den ganzen Tag schon. Vielleicht wusste Rabbi Katzenstein, was den Allmächtigen an solchen Tagen umtrieb, aber er musste jetzt zu dieser Tür hinaus, vergessene Briefe hin oder her. Kurz entschlossen sto p fte er die Papiere in einen Umschlag, beschriftete ihn mit der Adresse des Senators und st e ckte ihn ein. Er konnte die paar Seiten ebenso gut von zu Hause aus an den vergesslichen Kunden zurücksenden.
Bevor er zur Metrostation hinunterstieg, sog er seine Lungen einige Male voll mit der frischen Luft. Er liebte die Arbeit mit den Büchern, aber jetzt war er froh, für zwei Wochen alles vergessen zu können. Wer weiß, vielleicht erwartete ihn ohnehin ein neues Computersystem, wenn er um viele Erfahrungen reicher ins Penthouse zurüc k kehrte.
Kochi, Indien
Lee hätte sich am liebsten hingelegt, wo er gerade stand. Er wäre wohl auf der Stelle eingeschlafen. Die mühsame, zeitraubende Suche nach dem zuständigen Beamten des R e gional Transport Office in Kochi, die Hitze, die unerträglich dicke Luft im Stau und zu viele Pappadoms mit scharfem Chutney zehrten arg an seinen Kräften. Aber noch lag ein halber Arbeitstag vor ihm, und das hieß in dieser Phase des Projekts: weitere acht Stunden.
Er hatte die Mannschaft im Maschinenraum versammelt, um den Arbeitsfortschritt zu bespr e chen. Die Halle mit den mächtigen Tanks, Pumpen und dem Gewirr silbern schimmernder Röhren, die nur darauf warteten, Salzwasser aus dem Meer zu saugen und sauberes Trin k wasser auszuspeien, bildete die richtige Ambiance für die täglichen Meetings. Trotz der auf den ersten Blick verwirrenden Vielzahl von App a raturen staunte er jedes Mal, wenn er hier stand, wie einfach ihre Anlage doch im Grunde funktionierte. Konventionelle, ältere Entsa l zungsanlagen arbeiteten nach dem Destillationsprinzip, indem man das Salzwasser erhitzte und den kondensierten Wasserdampf als Süßwasser auffing. Meist geschah das unter stark reduziertem Druck, um den Siedepunkt des Wassers herunterzuschrauben. Viele neuere Anlagen benutzten ein anderes Verfahren: Umkehrosmose oder Reverse Osmose, RO. Der natürliche Vorgang der Osmose, bei dem Wasser durch eine halbdurchlässige Me m bran von Regionen niedriger Salzkonzentration in Regionen höherer Konzentration fließt. Setzte man aber die Region mit höherer Salzkonzentration, also das Mee r wasser, genügend hohem Druck aus, wanderte das Wasser in die andre Richtung, und auf der anderen Seite der Membran sammelte sich das Trinkwasser. Beide Verfahren waren aufwändig und verbrauchten U n mengen an Energie. Die neue Technologie seiner Firma war dagegen geradezu primitiv, trotz der abschreckenden Bezeichnung: Kapazitive Ionenpumpe. Sie leiteten das Meerwasser ei n fach zwischen elektrisch aufgeladenen Platten hindurch. Die gelösten Salzteilchen, elektrisch geladene Ionen, wanderten dabei zur Platte mit der entgegengesetzten Ladung, und am Ende des Wegs kam nur noch Süßwasser aus der Anlage. Zu- und Abflussröhren, Verteiler und ein paar mechanische Filter war alles, was ihre Fabrik außer den Platten und der Ele k trotechnik brauchte. Revolutionär an ihrer Technologie war die Beschichtung dieser Platten: Nanostrukturen, die wie feinste Schwämme eine millionenfach größere Obe r fläche für den Ionentausch boten als konventionelle Elektroden. Dadurch verschlang ihr Apparat nur einen Bruchteil der Energie anderer Anlagen für die Entsalzung des Meerwassers. Lee war überzeugt, dass sich ihre Technologie über kurz oder lang durchsetzen würde.
»Sayed, ich muss gestehen, ich hätte dich heute Morgen gebraucht«, sagte er, als er seinen kurzen Lagebericht beendete.
Sayed Chandra, der Maschineningenieur aus Kochi, den er an der Universität in Ch i cago kennen gelernt hatte, grinste schadenfroh.
»Du wolltest dich ja unbedingt allein durchschlagen, aber ich habe dich gewarnt. U n sere Beamten haben die seltsame Gabe, plötzlich taub zu werden oder die englische Sprache nicht mehr zu verstehen, insbesondere bei Ausländern.«
»Danke, ich hab’s begriffen. Das nächste Mal wirst du wieder dabei sein.« Sayeds Team motivierter, junger Techniker schien Lees Missgeschick königlich zu amüsieren. Er konnte es ihnen nicht
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