Das Komplott der Senatoren (German Edition)
die jederzeit hochgehen kann.«
»Sie können einem ja richtig Mut machen«, gab sie zurück, aber die Leitung war tot.
Sie legte sich wieder hin, diesmal in Embryostellung auf die Seite. Die Lektüre und das he k tische Gespräch hatten sie ermüdet, und die Tabletten trugen ihr Übriges dazu bei, dass sie bald zu dösen begann. Bevor sie endgültig einschlief, schreckte sie noch einmal hoch. Was hatte sie bloß getan? Sie hatte ihn in ihre Wohnung eingeladen, ja geradezu befohlen. Großer Gott, das konnte nur schief gehen, denn auf ihrem schönen Apartment lastete ein böser Fluch, davon war sie überzeugt. Jedes Mal, wenn ein Mann seinen Fuß in diese Wohnung setzte, also so ungefähr alle zwei Jahre, ging die Beziehung in die Brüche. »Blöde Ziege!«, schalt sie sich laut, beruhigte sich jedoch sogleich, als ihr einfiel, dass sie gar keine Beziehung mit Lee hatte. Aber ein Mann war er, und was für einer. Bei diesem schönen Gedanken schloss sie die Augen wieder und nickte ein.
Sie fühlte sich wie neugeboren, als sie aufwachte. Die Stiche hatten aufgehört, ihr Kopf war wieder in Ordnung. Sonst allerdings war so gut wie nichts in Ordnung, wie ihr ein Blick auf die Uhr zeigte. Halb drei! Es musste jeden Augenblick läuten, und sie war noch nicht einmal angezogen. Ganz zu schweigen von der Unordnung in Wohnzimmer, Bad und Schlafzimmer. In Windeseile sammelte sie die Papiere des Dragon-Files vom Boden auf, räumte die alten Zeitungen, die leere Cola-Dose und die Wasserflasche vom letzten Abend weg und rannte ins Schlafzimmer zum Kle i derschrank. Sie ließ den Bademantel zu Boden gleiten. In diesem Augenblick klingelte es an der Tür. Sie fuhr zusammen, als stünde ihr Besucher schon im Zimmer. Atemlos versuchte sie, den Bademantel wieder anzuziehen, verhaspelte sich und warf ihn wütend wieder weg. Nackt wie Gott sie geschaffen hatte, flitzte sie zur Tür. Ein kurzer Blick durch den Spion, dann schloss sie auf, öffnete aber nur einen Spalt und rief: »Augenblick bitte!«, worauf sie ihm die Tür blitzschnell wieder vor der Nase zuschlug. Sie rannte ins Schlafzimmer zurück, zog die Kleider an, die sie am Morgen getragen hatte, weil sie in Griffnähe auf dem Bett lagen, streifte sie wieder ab, wühlte im Schrank, zog den mau s grauen, samtweichen Hausanzug heraus, schlüpfte mit einem Bein hinein, warf ihn ärgerlich zu den anderen Sachen aufs Bett und entschied sich schließlich, sie wusste nicht warum, für ein weißes Trägerleibchen und die knappen Jeans, die sie seit Wochen nicht mehr getragen hatte. Bevor sie öf f nete, versuchte sie das wirre Haar in drei Sekunden zu bändigen und spritzte sich einen Hauch ›light blue‹ in den Ausschnitt.
»Der Vorsehung sei Dank, Sie leben noch«, lachte Lee, als er eintrat. Sie nickte ve r legen, versuchte nicht an ihre glühenden Wangen zu denken, als sie sich entschuldigte:
»Ich bin eingenickt. Tut mir leid, dass Sie warten mussten.«
»Kein Problem, ich tue, was immer Sie verlangen.« Er strahlte übers ganze Gesicht und hielt ihr ein niedlich dekoriertes Päckchen entgegen.
»Was ist das?«
»Beruhigungstee, ich dachte, sie könnten ihn brauchen. Riecht jedenfalls ganz gut.«
Süß von ihm. Sie war gerührt, gab ihm spontan den Kuss zurück, der sie nach jenem Lunch gründlich verwirrt hatte. »Vielen Dank«, hauchte sie und führte ihn ins Wohnzimmer. Er beachtete die Papiere auf dem Tisch nicht, sondern musterte sie eingehend und fragte besorgt: »Sind Sie auch wirklich in Ordnung?«
»Ja, schon O. K., außer dass mir da hinten ein neuer Kopf wächst.«
»Ist er auch so hübsch?«, grinste er, doch dann hörte er sich ihre Geschichte dieses hektischen Morgens mit ernster Miene an. »Woher wussten die Ganoven von Ihrer Verabredung mit der Buchhändlerin?« Die gleiche Frage, die ihr nicht mehr aus dem Kopf ging seit sie aus der Ohnmacht erwacht war. Sie zuckte ratlos die Achseln.
»Scheint jedenfalls ein heißes Dossier zu sein, Ihr Dragon-File. Darf ich?« Sie nickte.
»Möchten Sie etwas trinken?«
»Ein Bier wäre nicht schlecht«, murmelte er abwesend, denn er konzentrierte sich voll auf die Blätter, die sein Vater wohl kurz bevor er starb in den Händen gehabt hatte. Bier, typisch. In ihrem Weiberhaushalt gab es eine Menge ausgefallener Weine und Spirituosen, nur keine Bierdosen. Sie goss kurzerhand zwei Gläser des weißen Grenache ein, den sie vor kurzem auf Peters Empfehlung
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