Das Komplott der Senatoren (German Edition)
wenig Zeit. Hör zu, ich brauche deine Hilfe. Ich sitze hier im Polizeipräsidium fest. Woo Quan ist praktisch vor meinen Augen ermordet worden, jetzt verdächtigen sie mich.«
Sie brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, was sie eben gehört hatte. »Was – wie – sind die denn vollkommen verrückt geworden?«, stammelte sie aufgebracht.
»Ist natürlich alles Blödsinn, aber Quan ist tot. Vielleicht brauche ich einen Anwalt. Wirst du mir helfen?«
»Selbstverständlich, aber ich habe keine Zulassung in Senegal. Ich weiß nicht, vielleicht kennt Peter ...«
»Egal, ich gebe deine Kanzlei als meine Vertretung an. Das macht Eindruck, hoffe ich. Die kommen schon wieder zurück, ich muss auflegen, sorry. Ich liebe dich.« Klick, die Leitung war tot. Ihr war, als hätte er sie gleichzeitig siedend heiß und ei s kalt geduscht. Ihr schlug das Herz bis zum Hals. Quan tot, ermordet? Lee verdächtig? Verhaftet? Saß er in dieser u n bekannten Stadt auf dem Schwarzen Kontinent in einer modrigen Gefängniszelle, unter g e meinen Dieben und Mördern? Hatte er ihr eben seine Liebe gestanden? Sie wusste nicht mehr, wo ihr der Kopf stand.
»Gute Nacht«, rief der Mann vom Reinigungsdienst, als er den Raum verließ.
»Nacht Bob«, antwortete sie mechanisch, ohne hinzusehen. Als sie merkte, dass es nicht Bobs Stimme war, drehte sie sich um, sah aber nur noch die Silhouette des U n bekannten eilig die Kanzlei verlassen. Es war nicht ungewöhnlich, dass das R e inigungspersonal wechselte. Achselzuckend ließ sie sich in den Sessel fallen, starrte mit leerem Blick in die Nacht hinaus und bemühte sich, einen klaren Gedanken zu fassen. Wenigstens störte sie niemand mehr beim Versuch, sich zu konzentrieren.
Sie war jetzt allein in der Kanzlei, alles war ruhig, bis auf das gleichmäßige, leise Rauschen der Klimaanlage. Sie setzte zu einer weiteren Unterschrift an, da versagte der Kugelschreiber den Dienst. Besser als mitten im Wort, wie sonst üblich, dachte sie und griff in den Köcher. Als sie den Ersatzstift herauszog, fiel ein Kärtchen auf den Schreibtisch. Neugierig las sie die sorgfältig in zierlicher Handschrift geschri e benen Zeilen:
Liebe Marion,
Vielen Dank für Ihr beherztes Eingreifen. Sie sind eine mutige Frau.
Shalom,
Sarah und Jerry Glickman
Es musste vom Blumenstrauß ins Körbchen gefallen sein. Er hatte sie angelogen! Es spielte keine Rolle, dass dies technisch so nicht stimmte. Das kleine Ärgernis half ihr, die Angst um ihn besser zu ertragen. Heimzahlen würde sie es ihm ohnehin. Irgen d wann.
Ein seltsames Knistern und Rascheln, das ihr bisher noch nie aufgefallen war, mischte sich in das einschläfernde Summen der Klimaanlage. »Hallo, ist da jemand?«, rief sie laut. Niemand antwortete, aber die Geräusche wurden lauter, als näherte sich ein u n sichtbarer Schwarm wispernder Geister. Sie fröstelte, stand auf und rief noch einmal: »Hallo, wer ist da? Wenn das ein Witz sein soll, finde ich ihn gar nicht komisch!« Wieder keine Antwort, aber die Gei s ter kamen näher. Ihre Nackenhaare sträubten sich. Sie horchte angestrengt nach allen Seiten. Die seltsamen Geräusche kamen aus dem Archiv. Jemand schien dort noch zu a r beiten.
Mit trockener Kehle und feuchten Händen schritt sie vorsichtig auf die Tür zu, durch die sie das unheimliche Wispern nun deutlich hörte. Sie fasste sich ein Herz und drückte die Klinke. Es war, als presste ihr jemand ein glühendes Eisen in die Hand. Mit einem entsetzten Schrei fuhr sie zurück. Im selben Augenblick explodierte der Raum um sie herum mit ohre n betäubendem Getöse. Die schwere Metalltür flog auf sie zu, schleuderte sie wie ein Rammbock an die Wand. Ihr wurde auf der Stelle schwarz vor Augen. Sie sank bewusstlos zu Boden, sah das Feuer nicht mehr.
Frederick Weldon Henson Junior spürte sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. Irrte er sich, oder hatte es eben geblitzt? Verärgert über die Störung der heiklen Testarbeit löste er den Blick von seinem Monitor, schaute automatisch zu den Büros gegenüber und sprang entsetzt auf, wobei er sich im Kabel seiner romantischen Schreibti s chlampe verhedderte. Die falsche Tiffany, das Geschenk seiner Frau zur Beförderung, stürzte zu Boden und zerplatzte in tausend Stücke. Er beachtete die Bescherung nicht, kümmerte sich nicht um den stechenden Schmerz im Bein, als sich die Tischkante ins Fleisch bohrte. Fassungslos beobachtete er, wie
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