Das Komplott der Senatoren (German Edition)
ihr zu, den Business Case, den sie eben vorgestellt hatte, voll zu unterstützen. Sie hatten auch allen Grund dazu, denn schließlich war es ihr Bereich, der konstant für traumhaft hohe, zweistellige Z u wachsraten sorgte.
»Wenn dieser Plan umgesetzt ist, kannst du den Laden getrost der bezaubernden Alicia übe r lassen, was meinst du, Maurice?«, scherzte der betagte Dr. Martin, als sie sich an der runden Tafel unter den neobarocken Deckenfresken und riesigen Kristalllüstern der Salle de Versailles niederließen. Martin war Präsident des Verwa l tungsrates und bekannt für seine irritie r enden Witze, die stets einen beängstigend realen Bezug hatten. Der CEO lächelte denn auch säuerlich, als er entgegnete:
»Ich finde, das Timing ist ausgezeichnet, da ja dein Platz bald frei wird, wenn sie dich zum Alterspräsidenten befördern.«
Sie liebte solche Scharmützel. An diesem Tisch musste man jeden Augenblick damit rechnen, mit einer ironischen oder zynischen Bemerkung angeschossen zu werden, und niemals blieb man eine gerissene Antwort schuldig. Sie genoss den latenten Kriegszustand mehr als jeden entspannten, belanglosen Smalltalk. Er verlieh dem ohnehin schon lukullischen Mahl noch zusätzliche Würze. Sie wollte eben zu einer Replik auf eine gewagte Bemerkung Leblancs ansetzen, als ihr Telefon zu vibrieren begann. Der Name auf dem Bildschirm hinderte sie daran, sofort auszuschalten. Sie entschuldigte sich und nahm den Anruf aus Chicago draußen auf der Terrasse en t gegen.
»Entschuldigung für die Störung, aber es ist äußerst dringend.« Paul Dobsons Stimme klang ungewöhnlich aufgeregt.
»Schieß los.«
»Wq macht keine Schwierigkeiten mehr.«
»Gut.« Ein großes Problem weniger. Das waren beruhigende Neuigkeiten.
»Nicht gut, Alicia. Dieser O’Sullivan war bei ihm, als es passierte.«
Ihr Atem stockte.
»Was erzählst du da?«, zischte sie aufgebracht.
»Es kommt noch schlimmer. Die Kanzlei seiner Anwältin verklagt uns. Sie haben die Wa n zen entdeckt.«
Zum ersten Mal an diesem Abend blieb sie sprachlos. Was ihr Mann von Mc Guane Security Services hier von sich gab, war nichts anderes als das Eingeständnis vollkommener Inkomp e tenz. Sie unterdrückte nur mühsam eine Schimpftirade und sagte gepresst:
»Die Details. Alles, aber kurz!« Schweigend hörte sie sich Pauls Beichte an, während ihre Gedanken rasten. Pauls Idioten hatten soviel Geschirr zerschlagen, dass ihr Handlungsspie l raum praktisch auf nichts zusammenschrumpfte. Wenn sie etwas wirklich hasste, war es das Gefühl, nicht frei entscheiden zu können. Aber es gab keinen anderen Ausweg mehr. Sie musste die Sache selbst in die Hand nehmen. Die erlauchte Tafelrunde musste für den Rest des Banketts leider auf ihre Gegenwart verzichten.
Business District, Washington DC
Die Nacht brach herein. Im Haus gegenüber erloschen die Lichter nach und nach in allen Fenstern, außer im Büro ihres unbekannten Bekannten. Ihr Handy lag neben dem Bürotelefon auf Marions Schreibtisch, und beide schwiegen. Seit dem frühen Morgen versuchte sie, Lee zu erreichen, hatte schon ein Dutzend Nachrichten auf seiner Mailbox hinterlassen und beschränkte sich nun darauf, die beiden Apparate mit dem bösen Blick zu hypnotisieren. Was bildete sich der Kerl ein? Auf einen Freund, der nie da war, wenn man ihn brauchte, konnte sie gut verzichten. Nach und nach mischte sich eine gewisse Angst in ihre Enttäuschung. Sie versuchte, das beunruh i gende Gefühl zu verdrängen, sich auf anspruchslose Routinearbeiten zu konzentr i eren, die nebenbei auch irgendwann erledigt werden mussten. Je mehr Zeit ve r strich, desto mehr schwand ihre Hoffnung, er könnte sich doch noch melden. Es war gegen neun, ein Uhr früh in Dakar. Sie glaubte nicht, dass er besoffen in den Bars heru m hing, und doch fände sie den Gedanken tröstlicher als die lähmende Vorstellung, ihm könnte etwas zugestoßen sein.
Sie griff zur Wasserflasche. Das Handy rasselte und brummte, glitt wie ein kleines Luftki s senboot auf sie zu. Die Flasche entglitt ihrer Hand, verspritzte den Inhalt auf dem Boden. Wie von der Tarantel gestochen sprang sie auf, packte das Telefon und drückte die grüne Taste.
»Marion, Gott sei Dank, dass ich dich erreiche«, war Lees hektische Begrüßung.
»Du bist gut, ich versuche ...« Er unterbrach sie sofort. Der Ton seiner Stimme än g stigte sie, als er weitersprach: »Ich habe nur
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