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Das Komplott der Senatoren (German Edition)

Das Komplott der Senatoren (German Edition)

Titel: Das Komplott der Senatoren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Anderegg
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schon einiges für sich.
     
    »Wir sehen uns das an«, entschied er kurz entschlossen. Nachdem sich der Platz vor dem Wassertank wieder geleert hatte, ließ er Chandus Badewanne füllen. Für die fü n fzig Kilom e ter Fahrt im Schneckentempo hinter dem klapprigen Gefährt brauchten sie fast zwei Stunden. Als er auf dem öden Stück Boden stand, das einmal ein Rei s feld gewesen war, rund herum das brach liegende Land, gelb, braun, statt üppig grün leuchtend, wusste er, dass der Alte nicht übertrieben hatte. Die Lebensgrundlage di e ser Bauern war zerstört, und damit erst recht die bescheidene Einnahmequelle der vielen landlosen Arbeiter. Er brauchte jedoch den Kopf nur ein wenig zu drehen, um die andere Welt zu sehen, die sich hier ausbreitete. Moderne Fabrikhallen, ein riesiger Parkplatz, breite Zufahrtsstrassen, auf denen schwere Lastwagen, jeder beladen mit hunderten von Kisten, die kostbare Fracht aus den Lagerhallen rollten. Zur Produ k tion verbrauchte Mamot soviel Grundwasser, wie für die Versorgung von 10'000 Menschen benötigt wurde, hatte Sayed ausgerechnet, und Ingo schien die Behauptung du r chaus plausibel. Es mussten weit über fünfzig Lastwagen sein, die diese Fabrik jeden Tag verließen. Keinen Tropfen ließ man für die Bewohner der Umgebung übrig, denen man das Wasser im Grunde genommen stahl. Höchste Zeit für die DT-Zisternen, dachte er grimmig und ging zurück zu Chandus Haus.
     
    Als er eintrat, stutzte er verblüfft. In der armseligen Stube saß eine Gruppe fröhlich schwatzender und lachender Leute. Man hatte Tücher ausgebreitet und Tee und G e bäck, das wunderbar nach Kokosnuss duftete, aufgetragen. Ein Fest war im Gange, und er allem A n schein nach der Mittelpunkt. Die Gastfreundschaft dieser einfachen Bauern, die selbst kaum genügend zu essen und zu trinken hatten, überwältigte ihn. Obwohl er schon Monate in I n dien zugebracht hatte, war es sein erster Kontakt mit dem wirklichen Leben auf dem Lande. Am liebsten wäre er in den Boden versunken. Wenn diese guten Leute eine Art Halbgott in ihm sahen, der alles zum Besseren we n dete, konnte er sie nur enttäuschen.
     
    Sayed bemerkte seine Unsicherheit und flüsterte ihm zu: »Als Gast bist du Gott, das ist hier Sitte«, als beruhigte ihn der Gedanke. Soweit er begriff, hatten sich neben Chandu und seiner Frau zwei Nachbarn, ebenfalls Bauern und ein halbes Dutzend Landarbeiter zum spontanen Fest versammelt. Er fragte sich, welch düstere Geschic h ten sich hinter diesen heiteren G e sichtern verbargen. Wovon lebten diese Leute jetzt, da das Land nichts mehr abwarf? Ein paar wenige Glückliche durften wohl in der Fabrik die Automaten füttern und verdienten so ihren Lebensunterhalt mehr schlecht als recht, aber all die andern? Als er Sayed beim Verlassen des Hauses darauf a n sprach, zog er ihn rasch beiseite, außer Hörweite der Betroffenen.
     
    »Gut, dass du diese Frage nicht im Haus gestellt hast. Das ist ein Tabuthema hier. Nicht ei n mal ich darf darüber sprechen, ohne die Leute zutiefst zu verletzen.«
     
    »Schön, dass ich dieses Fettnäpfchen vermieden habe. Ich bin sonst nicht so wählerisch, wie du weißt.« Sayed lachte, aber es war ein bitteres Lachen. Die Ang e legenheit war zu ernst, um Scherze zu machen, wie er bald verstand. Immer noch und jetzt wieder häufiger kam es o f fenbar vor, dass Eltern bei dubiosen Vermittlern kleine Kredite aufnahmen, fünfzig Dollar oder weniger, um zu überleben, und liehen dafür ihre Kinder aus. Die Kleinen, meist Mä d chen, manche nicht älter als neun, mussten dann die Schuld auf einer der zahlreichen Bau m wollfarmen abarbeiten. Ein Jahr, zwei Jahre oder länger standen sie Tag für Tag zehn, zwölf Stunden in den Feldern, wo sie mit ihren feinen Fingern bei jeder einzelnen Blüte die eigenen Pollen entfernen und fremde auftragen mussten. Durch diese Kreuzung entstand das hybride Saatgut, das bessere Qualität und höhere Erträge lieferte. Diese Arbeit war nicht nur äußerst a n strengend, die Kinder kamen dadurch auch in Kontakt mit hohen Dosen giftiger Pflanze n schutzmittel. Auch unter den Bekannten im Dorf gab es offenbar mehr als eine Familie, deren Tochter durch das Gift schwer erkrankt war.
     
    »Warum zum Teufel machen die Baumwollfarmer das überhaupt?«
     
    »Sie tun es nicht freiwillig. Die Saatgut-Multis kaufen ihnen nichts anderes ab. Da die H y bridbaumwolle nicht fortpflanzungsfähig ist, muss dieser arbeitsintensive Wahnsinn Jahr für Jahr

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