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Das Komplott der Senatoren (German Edition)

Das Komplott der Senatoren (German Edition)

Titel: Das Komplott der Senatoren (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Anderegg
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Hinterkopf des Mannes, den man ihm als Ziel beschrieben hatte und drückte zweimal ab. Mit seinen kräftigen Armen schleifte er den leblosen Körper ins Unterholz, die kurze Böschung hinunter und ließ ihn sanft ins Wasser gleiten. Der Tod hatte seine Pflicht getan. Er brauchte sich keine Mühe zu machen, die Taschen des Mannes zu leeren. Man sollte ihn ohne weiteres ident i fizieren können, wenn man ihn fand, sofern die vielen Forellen nicht schneller waren. Fraßen Forellen Menschenfleisch? Er wusste es nicht, aber die Vorstellung amüsierte ihn.
     
    Kochi, Indien
     
    Es gab keinen Zweifel mehr: der Sommermonsun fand dieses Jahr nicht statt. Kein Rege n tropfen würde Land und Leute von der mörderischen Dürre erlösen. Tag für Tag kletterte das Quecksilber auf vierzig Grad und darüber. Die meisten der Flüsse und Bäche, die noch im Vorjahr das Hinterland von Kochi wenigstens zeitweise mit Frischwasser versorgt hatten, trockneten vor den Augen der entsetzten Bewohner dieses ehemals fruchtbaren Landstrichs aus. Was blieb waren Tümpel aus faulig stinkendem Brackwasser, ungenießbar für Mensch und Tier, mit ihrem Salzgehalt geeignet, die Felder zu verbrennen statt zu bewässern.
     
    Ingo stand in der Tür und strich sich nachdenklich über den Bart, während er die i m mer länger werdende Menschenschlange vor dem Tank beobachtete. Sayed hatte wohl doch recht gehabt, als er ihn beschwor, auf diese wohltätige Geste zu verzic h ten, die für ihn nicht viel mehr als ein Werbegag war. Kurz nachdem ihre Entsalzun g sanlage das erste Wasser ins Netz einspeisen konnte, kam ihm die Idee, einen kleinen Tank auf den Parkplatz zu stellen, aus dem sich die Anwohner täglich für eine bis zwei Stunden kostenlos mit Frischwasser ve r sorgen konnten, solange der Vorrat eben reichte. Die Nachricht verbreitete sich offenbar wie ein Lauffeuer. Nur gerade zwei Tage dauerte es, bis aus dem Dutzend neugieriger Kinder aus der Nachbarschaft mit ihren Plastikeimern und Flaschen eine unüberschaubare Prozession ausgemergelter Gestalten wurde, die nicht enden wollte. Alte Frauen waren darunter, denen er kaum zutraute, den leeren Kessel zu tragen. Junge Mütter, das Kleinste auf dem Arm, die Kinder, die laufen konnten jedes mit seinem Gefäß, warteten stundenlang in der brütenden Hitze, bis sie an der Reihe waren. Vor Sonnenaufgang erschienen die E r sten auf dem Platz, und die Zahl der Ärmsten der Armen, die leer ausgingen, wurde von Tag zu Tag größer. Sie ergaben sich in ihr Schicksal, als sei es der Wille der Gö t ter, sie weiter dürsten zu lassen. Es blieb nicht lange bei der einen Tankfüllung, und doch mussten täglich mehr Menschen wieder mit leeren Eimern abziehen, nur um sich am nächsten Morgen nach langem Fußmarsch wieder anzustellen. So konnte es nicht weitergehen, Ingo wusste das. Eher früher als später würden die ersten Kämpfe um die letzten Tropfen stattfinden. Die unheimliche Ruhe auf dem Platz vermochte nicht über die explosive Lage hinwegzutäuschen. Nur einer in dieser Me n schenmenge brauchte die Nerven zu verlieren, und Panik würde ausbrechen, die stille Proze s sion in einem Blutbad enden.
     
    Er hätte es wissen müssen. Die Menschen, die zum Tank von Disruptive Technol o gies pilgerten wie zu einem ihrer zahlreichen Heiligtümer, gehörten zur großen Masse der Lan d bevölkerung, in deren armseligen Hütten kein Wasserhahn zu finden war. Allmählich erka n nten Ingo und seine Leute, dass das wahre Problem nicht so sehr der Mangel an sauberem Wasser war, sondern die fehlende Infrastruktur, um es wirksam zu verteilen. Ihre Arbeit war keineswegs damit getan, das entsalzte Wasser erfo l greich ins Netz einzuspeisen, wie die nicht endenwollende Menschenschlange vor ihm auf dem Platz bewies. Überdies hatten sie fes t gestellt, dass noch immer zwanzig bis dreißig Prozent ihres kostbaren Trinkwassers keinen Konsumenten erreichten. Es versickerte unterwegs ungenutzt aus undichten Leitungen und schlecht gewarteten Pumpstationen. Tausende Menschen müssten keinen Durst leiden, schenkten die Verantwortlichen nur dem Unterhalt des Netzes die nötige Beachtung. Es war zum Verzweifeln. Jedes Mal, wenn er an die Missstände dachte, keimte Wut in ihm auf, Wut, nichts ändern zu können, machtlos zusehen zu müssen, wie nicht zuletzt ihre Arbeit sinnlos verpuffte.
     
    »Eine Tankwagenflotte müsste man haben«, sagte Sayed hinter ihm. Mit sichtlichem Unb e hagen betrachtete er das Treiben auf dem

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