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Das Komplott (German Edition)

Das Komplott (German Edition)

Titel: Das Komplott (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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fing ich an, den Verstand zu verlieren. Nichts zu lesen, niemand, mit dem ich reden konnte, grauenhaftes Essen, gewalttätige Wärter. Irgendwann wurden wir wieder in Ketten gelegt, in einen Bus verfrachtet und zum Flughafen von Atlanta gekarrt, wo wir ein nicht gekennzeichnetes Frachtflugzeug bestiegen. An eine harte Plastikbank gekettet, Knie an Knie sitzend, wurden wir nach Miami geflogen. Allerdings hatten wir anfangs keine Ahnung, wo es hingehen sollte. Einer der Marshals war dann so nett, uns über das Ziel unseres Fluges zu informieren. In Miami sammelten wir noch ein paar Gefangene ein, dann ging es weiter nach New Orleans, wo wir in drückender Schwüle eine Stunde auf dem Rollfeld herumstanden, während die Marshals noch mehr Häftlinge einluden.
    Im Flugzeug durften wir reden, was eine willkommene Abwechslung war. Die meisten von uns hatten gerade tagelang in einer Einzelzelle gesessen und brannten darauf, sich mit jemandem zu unterhalten. Einige der Jungs wurden nicht zum ersten Mal quer durch das Land transportiert, sie erzählten noch mehr Geschichten darüber, wie es war, in Ketten gelegt und auf Staatskosten zu reisen. Und ich hörte die ersten Schilderungen des Gefängnisalltags.
    Wir kamen in der Dunkelheit in Oklahoma City an, wo wir in einen Bus verladen und zu einem weiteren Verteilerzentrum gefahren wurden. Dieses Gefängnis war nicht ganz so schlimm wie das in Atlanta, doch inzwischen dachte ich daran, Selbstmord zu begehen. Nach fünf Tagen in Einzelhaft wurden wir wieder in Ketten gelegt und zum Flughafen zurückgebracht. Wir flogen nach Texas, der Weltbühne der Todesspritze, und ich stellte mir vor, wie jemand eine Nadel in meinen Arm stach und ich einfach davonschwebte. In Dallas stiegen acht Schlägertypen – alle Latinos – zu, und »ConAir« flog weiter nach Little Rock, dann nach Memphis, dann nach Cincinnati, wo meine Flugreise zu Ende war. Ich verbrachte sechs Nächte in einem üblen städtischen Gefängnis, bevor ich von zwei Marshals in das Gefängnis von Louisville, Kentucky, gefahren wurde.
    Louisville liegt achthundert Kilometer von meiner Heimatstadt Winchester, Virginia, entfernt. Wäre es mir erlaubt gewesen, mich selbst einzuweisen, hätten mein Vater und ich etwa acht Stunden für die Fahrt zum Gefängnis gebraucht. Er hätte mich am Haupteingang aussteigen lassen und sich verabschiedet.
    Vierundvierzig Tage, sechsundzwanzig davon in Einzelhaft, zu viele Zwischenstopps, um sich alle merken zu können. Dieses System hat keine Logik, und niemand kümmert sich darum. Niemand kontrolliert es.
    Die wahre Tragödie am Strafjustizsystem auf Bundesebene ist nicht die Tatsache, dass es völlig absurd ist. Es sind die vielen zerstörten, vergeudeten Leben. Der Kongress fordert lange, strenge Haftstrafen, und für Gewalttäter sind die auch in Ordnung. Schwerverbrecher werden in Hochsicherheitsgefängnissen weggesperrt, wahren Festungen, in denen Gangs weit verbreitet und Morde an der Tagesordnung sind. Doch der größte Teil der in Bundesgefängnissen sitzenden Häftlinge ist nicht gewalttätig, und viele wurden wegen Verbrechen verurteilt, bei denen sie nur wenige bis gar keine kriminellen Handlungen begangen haben.
    Ich werde für den Rest meines Lebens als Verbrecher gelten, aber ich weigere mich, das einfach so hinzunehmen. Ich werde wieder ein Leben haben, ohne die Schatten meiner Vergangenheit, weit weg von den Tentakeln des Staates.

11
    Rule 35 der Strafprozessordnung auf Bundesebene enthält die einzige Möglichkeit zur Milderung einer Gefängnisstrafe. Die Logik dieser Bestimmung ist brillant und passt perfekt zu meiner Situation. Wenn ein Gefangener ein Verbrechen aufklärt, das für das FBI wichtig ist, kann seine Haftstrafe reduziert werden. Dazu bedarf es natürlich der Mitwirkung der entsprechenden Ermittlungsbehörden – FBI , DEA , CIA , ATF und so weiter – und des Gerichts, das ihn zu dieser Haftstrafe verurteilt hat.
    Wenn alles so läuft wie geplant, werde ich vielleicht schon sehr bald das Vergnügen haben, wieder vor dem Ehrenwerten Richter zu stehen. Und dieses Mal werde ich die Bedingungen stellen.
    Das FBI ist wieder da.
    Direktor Wade ist jetzt viel netter zu mir. Er denkt wohl, dass er etwas hat, was ein paar große Tiere haben wollen, und er muss dabei natürlich im Mittelpunkt stehen. Ich setze mich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch, und er fragt, ob ich einen Kaffee möchte. Das Angebot ist fast zu surreal, um es zu begreifen – der

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