Das Komplott (German Edition)
selbst ins Gefängnis einzuweisen, doch Richter Slater ließ sich von unserem Wunsch nicht beeindrucken. Nachdem er mir zehn Jahre aufgebrummt hatte, ordnete er an, mich sofort in Gewahrsam zu nehmen.
Ich finde es wirklich bemerkenswert, dass nicht mehr Bundesrichter erschossen werden. Hinterher dachte ich mir noch wochenlang alles Mögliche aus, um Slater eines langsamen, qualvollen Todes sterben zu lassen.
Ich wurde von den U.S. Marshals aus dem Gerichtssaal geführt und zuerst in eine Zelle im Gerichtsgebäude und dann in ein Washingtoner Gefängnis gebracht, wo ich mich ausziehen, durchsuchen lassen und einen orangefarbenen Overall anziehen musste und mit sechs anderen Häftlingen in eine überfüllte Zelle gesteckt wurde. Es gab nur vier Pritschen. In der ersten Nacht saß ich auf dem Betonboden, nur ich und meine dünne, durchlöcherte Decke. Das Gefängnis war ein lärmender Zoo, überfüllt und mit zu wenig Personal, und an Schlaf war nicht zu denken. Ich war viel zu eingeschüchtert und perplex, um die Augen zu schließen, daher setzte ich mich in eine Ecke und lauschte bis zur Morgendämmerung auf die wütenden Schreie und Drohungen der anderen. Ich blieb eine Woche dort, aß wenig, schlief wenig, urinierte in eine vor Schmutz starrende offene Toilette, die eine defekte Spülung hatte und nur drei Meter von meinen Zellengenossen entfernt war. Einmal waren wir zu zehnt in der Zelle. Ich ging kein einziges Mal duschen. Stuhlgang erforderte das dringende Ersuchen, den »Scheißraum« am anderen Ende des Gangs besuchen zu dürfen.
Der Transport von Bundeshäftlingen wird von den U.S. Marshals durchgeführt und ist ein Albtraum. Gefangene aller Sicherheitsstufen werden rigoros in einen Topf geworfen, egal, was sie verbrochen haben oder welches Risiko von ihnen ausgehen könnte. Deshalb wurden wir alle wie brutale Mörder behandelt. Meine Hände waren gefesselt, meine Füße in Ketten gelegt, zudem war ich noch an den Häftling vor mir und den hinter mir gekettet. Die Stimmung war gereizt. Aufgabe der Marshals ist es, die Häftlinge von einem Ort zum anderen zu transportieren, ohne dass jemand flieht. Die Gefangenen – viele von ihnen machen das zum ersten Mal mit – sind verängstigt, frustriert und verwirrt.
Vierzehn von uns verließen Washington mit einem Bus, einem Zivilfahrzeug, das vor einigen Jahrzehnten Schulkinder befördert hatte, und wurden Richtung Süden gefahren. Die Hand- und Fußfesseln wurden nicht entfernt. Ganz vorn saß ein Marshal mit einer Schrotflinte. Nach vier Stunden machten wir vor einem Bezirksgefängnis in North Carolina halt. Wir bekamen ein durchweichtes Sandwich und die Gelegenheit, hinter dem Bus zu pinkeln, immer noch in Ketten. Die Handschellen und Fußfesseln wurden uns zu keiner Zeit abgenommen. Nachdem wir zwei Stunden gewartet hatten, fuhren wir mit drei zusätzlichen Gefangenen in Richtung Westen weiter. In den nächsten sechs Tagen hielten wir bei Bezirksgefängnissen in North Carolina, Tennessee und Alabama, nahmen Gefangene auf, lieferten hin und wieder auch einen ab und schliefen jede Nacht in einer anderen Zelle.
Die Bezirksgefängnisse waren am schlimmsten: kleine, überfüllte Zellen ohne Heizung, Klimaanlage, Tageslicht oder angemessene sanitäre Anlagen, Essen, das ein Hund ignorieren würde, wenig Wasser, Hinterwäldler als Wärter, erheblich öfter die Androhung von Gewalt, Stammhäftlinge, die etwas gegen die Invasion von »Bundesgefangenen« hatten. Ich konnte einfach nicht glauben, dass es in den Vereinigten Staaten derart unzumutbare Bedingungen gab, aber ich war ja auch naiv. Als unsere Reise andauerte und die Stimmung immer schlechter wurde, häuften sich im Bus die Beschwerden. Das hörte aber sofort wieder auf, als uns ein erfahrener Gefangener das Konzept der »Dieseltherapie« erklärte: Wenn man sich beschwert oder Ärger macht, behalten einen die Marshals wochenlang im Bus und geben einem Gelegenheit, Dutzende von Bezirksgefängnissen kennenzulernen.
Die Marshals hatten keine Eile. Da sie die Gefangenen nur bei Tageslicht transportieren dürfen, werden in der Regel nur kurze Strecken zurückgelegt. Und für unser Wohlergehen und unsere Privatsphäre interessierten sie sich in keiner Weise.
Schließlich schafften wir es zu einer Art Verteilerzentrum in Atlanta, einem berüchtigten Gefängnis, wo ich dreiundzwanzig Stunden am Tag in Einzelhaft saß, während meine Papiere über irgendeinen Schreibtisch in Washington krochen. Nach drei Wochen
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