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Das Kopernikus-Syndrom

Das Kopernikus-Syndrom

Titel: Das Kopernikus-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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mich unterstützen.«
    Sie atmete nervös, verzweifelt. Aber ich konnte auch spüren, wie aufgewühlt sie war. Sie fürchtete sich nicht davor, mir zu helfen, sondern auf diese Weise zugeben zu müssen, dass meine Geschichte stimmte. Dass ich tatsächlich die Gedanken der Menschen hörte. Das verlangte von ihr, sich dem Undenkbaren zu fügen, und das versetzte sie in Panik. Dennoch empfand sie gleichzeitig auch Mitleid mit mir.
    »Vigo, ich finde das vollkommen idiotisch.«
    »Vielleicht, aber ich kann doch nicht als naives Opfer weiter alles hinnehmen, was mir geschieht.«
    Sie nickte zustimmend.
    »Dann helfen Sie mir bitte.«
    Agnès schloss die Augen, als ob sie bereits bereute, was sie mir sagen wollte.
    »Na schön. Ich will es versuchen«, sagte sie schließlich. »Aber nur ein oder zwei Tage, mehr nicht. Die Zeit muss reichen, um in Ihrer Geschichte das Falsche vom Richtigen zu unterscheiden, eine Akte anzulegen und damit zu den Behörden zu gehen. Einverstanden?«
    Ich nickte langsam, wagte aber nicht, mein Gefühl zum Ausdruck zu bringen. Dabei bedeuteten diese wenigen Worte für mich eine ungeheuere Erleichterung. Als ob mir eine Zentnerlast von der Seele genommen würde. Ich hatte die hilfreiche Hand gefunden, die ich mir so sehr gewünscht hatte. Ich war nicht mehr ganz allein … Nicht mehr ganz allein.
    »Gut, es ist spät geworden«, sagte sie und erhob sich. »Ich würde gern nach Hause gehen und mich schlafen legen.«
    »Natürlich.«
    »Und was haben Sie vor?«, fragte sie und wischte einen Staubkrümel von ihrer Jacke.
    »Ich weiß nicht. Ich kann nicht in mein Zimmer zurückkehren. Als ich vorhin ins Hotel gehen wollte, lauerte am Eingang ein Kerl auf mich.«
    »Sind Sie sicher, dass Sie sich nicht von Ihrer Paranoia täuschen ließen?«
    »Ja«, erwiderte ich lächelnd. »Ich täusche mich nicht. Als ich näher ranfuhr, rannte er auf mich los.«
    »Ich verstehe. Gut, dann schlafen Sie einfach bei mir. Im Wohnzimmer steht ein Sofa, das können Sie haben. Aber nur für heute Nacht, einverstanden?«
    »Und Ihr Mann, wird er das nicht seltsam finden?«
    »Er ist ausgezogen. Haben Sie das nicht in meinen Gedanken gelesen?«, fragte sie mit spöttischem Lächeln.
    »Nein. Ich versuche nicht mehr darauf zu hören. Und außerdem … höre ich die Stimmen nicht immer. Gott sei Dank. Aber Ihr Mann … er ist ausgezogen?«
    »Ja, ausgezogen.«
    Ich schaute auf ihre Hand. Sie trug keinen Ehering mehr. Ich war nicht der Einzige, dessen Leben aus dem Gleichgewicht geriet. Es gibt Augenblicke wie diesen … Und das nicht nur im Film, sondern im Leben, im richtigen Leben. Ich erhob mich, und wir verließen Seite an Seite die Place Clichy.
36.
    Agnès' Wohnung verbarg sich unter dem Dach eines alten Hauses in der Rue des Batignolles. Eine kleine Dreizimmerwohnung. Mindestens zwei weitere Zimmer wären nötig gewesen, um all die Möbel und Gegenstände unterzubringen, die in einem verblüffenden Chaos herumstanden. Ich fragte mich, wie viele Jahre erforderlich waren, einen solchen Trödelmarkt anzusammeln. Ich hätte nie und nimmer in einer solchen Unordnung leben können, doch erstaunt stellte ich fest, dass dieses Chaos eine gewisse Ästhetik besaß. Die Ansammlung von Nippes, Büchern und Magazinen, Kerzen, alten Lampen, Rahmen, Vasen und unzähligen ungewöhnlichen Gegenständen bildete ein echtes Dekor, das auf erstaunliche Weise den Anschein einer geheimen Kohärenz erweckte.
    »Entschuldigen Sie, hier sieht es ziemlich chaotisch aus. Aber wenn Luc seine Sachen geholt hat, wird es besser sein.«
    Ich spürte ihre Verlegenheit, ich fühlte mich selbst sehr unwohl. Ich fragte mich, ob ich nicht das erste Mal in meinem Leben allein bei einer Frau war …
    Sie deutete auf das orangefarbene Sofa in einer Ecke des Wohnzimmers. »Da können Sie schlafen. Morgen muss ich früh zur Arbeit. Im Kommissariat versuche ich etwas über Ihre Eltern herauszufinden, einverstanden?«
    »Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen.«
    »Ich tue, was ich kann. Sagen Sie mir einfach alles, was Sie über sie wissen.«
    Ich gab mir alle Mühe, ihr von Marc und Yvonne Ravel zu erzählen, von dem, was ich über ihr Leben wusste, was sie mir immer erzählt hatten. Ich erwähnte das Haus, das sie im Urlaub mieteten, dass beide in einem Ministerium gearbeitet hatten, und noch andere Details, an die ich mich erinnern konnte. Sie schrieb alles in ein kleines Heft.
    »Gut, ich will sehen, was ich damit anfangen kann. Jetzt muss ich

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