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Das Kopernikus-Syndrom

Das Kopernikus-Syndrom

Titel: Das Kopernikus-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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ich habe mir diese Frage gestellt, und ich hätte echt Schwierigkeiten gehabt, ihm zu erklären, was ich da tue, wenn er plötzlich auf der Matte gestanden hätte.«
    Sie blickte amüsiert.
    »Nein, nein, beruhigen Sie sich. Nach unserem gestrigen Streit ist er zu seinen Eltern in die Schweiz gefahren. Es besteht keine Gefahr, dass er so schnell zurückkommt.«
    »Glauben Sie, dass Ihre Geschichte mit ihm … ich meine … dass sie endgültig vorbei ist?«
    »Aha. Ich verstehe«, sagte sie und legte ihre Zigarette an den Rand des Aschenbechers. »Jetzt werde ich also einem Verhör unterzogen?«
    »Nun … Ich weiß nicht viel über Sie. Aber Sie brauchen nicht zu antworten. Ich kenne nicht einmal Ihren Familiennamen.«
    »Das macht nichts«, erwiderte sie lächelnd. »Ich werde vermutlich sowieso wieder meinen Mädchennamen annehmen.«
    »Wie lautete der?«
    »Mein Mädchenname? Fedjer. Ich heiße Agnès Fedjer.«
    »Ich habe doch gleich gesehen, dass Sie aus dem Süden sind.«
    Sie rollte die Augen.
    »Aus welchem Land kommen Sie?«
    »Aus Algerien«, erwiderte sie.
    »Agnès hört sich aber nicht sonderlich algerisch an.«
    »Mein Vater bekam nicht die Möglichkeit, unseren Familiennamen zu ändern. Er sagte sich, mit einem französischen Vornamen müsste ich vielleicht weniger leiden.«
    »Es ist schrecklich, wenn man seine Wurzeln verleugnen und sich seines Namens schämen muss …«
    »Ich schäme mich meines Namens nicht«, verteidigte sie sich. »Mein Vater hat sich keine Illusionen über den pathologischen Rassismus dieses Landes gemacht, das ist alles. Aber ich schäme mich meines Namens nicht. Ich heiße Agnès Fedjer.«
    Ich nickte. Im Grunde hatte sie Glück. Ich war nicht einmal sicher, überhaupt einen Namen zu haben.
    »In Ordnung, aber Sie haben meine erste Frage noch nicht beantwortet«, fuhr ich fort. »Glauben Sie, der Bruch mit Ihrem Mann ist endgültig?«
    »Sie sind aufdringlich, Vigo. Ich habe es Ihnen gestern schon einmal gesagt. Seit mindestens zwei Jahren suchen wir die Lösung für ein Problem. Es scheint keine andere als die Trennung zu geben. Außerdem glaube ich, dass Luc es nicht mehr erträgt, dass ich Polizistin bin und nicht bereit, meinen Beruf aufzugeben. Ja, ich glaube, es ist endgültig. Aber jetzt reden wir bitte von etwas anderem.«
    »Sind Sie immer noch in ihn verliebt?«
    Sie machte große Augen.
    »Was für eine seltsame Frage. Und woher wollen Sie wissen, ob ich es je war?«
    Ich zuckte die Schultern.
    »Sie haben ihn geheiratet.«
    »Man kann ja auch ohne Liebe heiraten, oder?«
    »War das bei Ihnen der Fall?«, fragte ich.
    »Auf jeden Fall habe ich ihm nie gesagt, dass ich ihn liebe.«
    So wie sie sprach, war ich davon überzeugt, dass sie diese Worte noch nie zu jemandem gesagt hatte.
    Der Kellner brachte den Wein. Ich probierte, nickte, und er schenkte uns ein. Agnès stieß mit mir an, ein zartes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. Dann nahm sie sich noch eine Zigarette. Ich tat es ihr nach und reichte ihr mein Feuerzeug.
    »Ich habe heute schon eine ganze Schachtel geraucht«, sagte sie angewidert. »Aber wie Sie so schön bemerkten, an irgendwas muss man ja sterben.«
    Ich zuckte die Schultern.
    »Auf jeden Fall fürchte ich bei meiner eschatologischen Angst nicht die Zigaretten.«
    »Ihrer was?«
    Ich lächelte und wurde mir bewusst, dass ich über diese intime Angelegenheit sprach, als sei sie eine Tatsache. Ich fragte mich, ob es klug war, Agnès so schnell von meinen Obsessionen zu erzählen. Aber schließlich hatte sie mir auch schon viel anvertraut.
    »Meine eschatologische Angst.«
    »Was genau ist das?«
    »Ach, nichts Besonderes, eine Art seltsamer Idee, die mich häufig überkommt.«
    »Erklären Sie's mir.«
    »Sie werden mich für einen Verrückten halten.«
    Sie fing an zu lachen.
    »Mein armer Vigo, es ist lange her, dass ich Sie in die Kategorie übergewichtig und verrückt eingeordnet habe.«
    Ich nickte zustimmend. Über diesen Punkt waren wir längst hinaus.
    »Gut. Also es ist so: Manchmal habe ich den Eindruck, dass unsere Rasse am Aussterben ist.«
    »Unsere Rasse? Meinen Sie damit die Raucher?«
    »Aber nein. Den Homo sapiens. Ich habe den Eindruck, dass der Homo sapiens am Aussterben ist.«
    Sie schaute mich verblüfft an.
    »Was reden Sie da?«
    »Ach, vergessen Sie's. Hatten Sie noch nie das Gefühl?«
    Sie blies den Rauch aus.
    »Eigentlich nicht!«
    »Dennoch, überall, wohin ich schaue, sehe ich die Zeichen unseres Aussterbens. Haben

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