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Das Kopernikus-Syndrom

Das Kopernikus-Syndrom

Titel: Das Kopernikus-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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sind. Das verschafft uns zumindest einen Vorteil ihnen gegenüber, und wir können uns über sie erkundigen.«
    »Aber sie werden mich am Ende finden.«
    »Im Augenblick wissen sie nicht, wo Sie sich verstecken. Vigo, Sie sind hier in Sicherheit, also beruhigen Sie sich. Alles zu seiner Zeit. Wir kümmern uns um die Männer, sobald wir mit allem Übrigen vorangekommen sind, einverstanden?«
    Ich stimmte zu, aber in Wirklichkeit war ich absolut nicht beruhigt. Obwohl ich mit Sicherheit wusste, dass Doktor Guillaume mich belog, erfüllte mich sein Anruf erneut mit Zweifeln an meiner Schizophrenie. All meine Erinnerungen verschmolzen. Die falschen, die richtigen, die Paramnesien, die Halluzinationen … Alles kochte wieder hoch. Ich fragte mich sogar, ob ich Agnès vertrauen konnte. Oder ob sie auch auf deren Seite stand? Schließlich war sie Polizistin. Vielleicht hatten sie sie überredet, mich zu manipulieren? Das würde erklären, weshalb sie plötzlich bereit war, mich bei sich aufzunehmen. Nein. Das war nicht möglich. Nicht Agnès. Doch ich musste misstrauisch bleiben.
    »Haben Sie meine Eltern aufgespürt?«, fragte ich sie und versuchte, meine Stimme gelassen klingen zu lassen.
    Ich sah ihre mitleidige Miene und begriff sofort, dass sie keine guten Neuigkeiten hatte.
    »Nein, tut mir leid, Vigo, aber ich fürchte, was ich entdeckt habe, wird Ihnen nicht gefallen.«
    »Erzählen Sie.«
    Sie nahm mir gegenüber Platz.
    »Ihre Eltern … Ihre Eltern gibt es nicht und hat es nie gegeben. Jedenfalls nicht unter diesen Namen.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ich habe nirgends auch nur die geringste offizielle Spur eines Paares namens Marc und Yvonne Ravel gefunden. Weder in den Unterlagen der Standesämter noch in den Registern des Einwohnermeldeamts, nicht in den Akten der Führerscheinstelle und noch nicht einmal bei der Sozialversicherung, und da konnte ich mir nur mit Bestechung Einblick verschaffen. Aber ich habe nichts gefunden, keine Spur, nirgendwo. Marc und Yvonne Ravel gibt es nicht.«
    Ich ließ mich auf dem Sofa zurückfallen.
    »Aber … aber wie ist das möglich? All die Jahre, an die ich mich erinnern kann, habe ich bei ihnen gewohnt. Ich habe sie mir doch nicht eingebildet!«
    »Nein, natürlich nicht, Vigo. Aber Sie kennen sie eben nicht unter ihrem richtigen Namen. Ich weiß nicht, wie das möglich ist, auch nicht, warum, aber es ist so. Und leider ist das auch noch nicht alles.«
    »Was noch?«
    »Ich habe meine Nachforschungen auch auf Ihren Namen erstreckt. Auch Vigo Ravel existiert dem Gesetz nach nicht. Der anonyme Brief, den Sie erhalten haben, hatte in diesem Punkt recht. Sie heißen nicht Vigo Ravel.«
    »Aber … ich habe einen Ausweis, ein Bankkonto. Ja, sogar ein Scheckheft, auf dem mein Name steht. Wie hätte ich ein Konto eröffnen können?«
    »Vielleicht sind Ihre Ausweispapiere falsch. Vielleicht wurde Ihr Bankkonto aufgrund falscher Papiere eröffnet. Zeigen Sie mir Ihren Ausweis.«
    Ich reichte ihn ihr. Sie studierte ihn von allen Seiten.
    »Er sieht ziemlich echt aus, aber ich bin kein Fachmann. Ich lasse ihn morgen prüfen. Ihr Konto könnte einen guter Ansatz für die Ermittlungen darstellen. Wissen Sie, bei welcher Bank Ihre Eltern waren?«
    »Bei derselben wie ich.«
    »Sehr gut, dann werde ich morgen in dieser Richtung suchen.« Sie gab mir meinen Ausweis zurück. Unwillkürlich studierte ich ihn ebenfalls. Ich las den Text neben meinem Foto. ›Name: Ravel. Vorname: Vigo. Nationalität: französisch‹. Das stand hier schwarz auf weiß. Und doch war das nicht ich. Es war nicht mein Name. Ich stieß einen deprimierten Seufzer aus.
    »Vigo, wir stehen erst am Anfang unserer Recherchen. Geben Sie nicht so schnell auf. Immerhin haben Sie so etwas Ähnliches doch erwartet, nicht wahr?«
    »Trotzdem ist es schwer zu verstehen. Agnès, ich kenne meine wahre Identität nicht. Ich habe keinen Namen. Und ich habe keine Eltern.«
    Sie erhob sich, setzte sich neben mich und legte mir die Hand auf die Schulter.
    »Es tut mir aufrichtig leid. Ich verstehe, dass es sehr hart ist. Sehr verwirrend. Aber Sie haben beschlossen, diese Ermittlungen zu beginnen, also müssen Sie auch bereit sein, sich derartigen Erkenntnissen zu stellen.«
    Ich nickte und versuchte sie anzulächeln. Sie hatte recht. Und ich war sicher noch nicht am Ende aller bösen Überraschungen. Im Gegenteil, wenn ich nicht in Depression verfallen wollte, war es besser, die Enttäuschungen zu nutzen, um genügend Wut zum

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