Das Krähenweib
es gehen könnte. Lächerliche Beschwerden, Bittgesuche oder gar den Wunsch seines Volkes, seinen Herrscher wieder mehr im Sachsenland zu sehen?
Er wusste selbst, dass er Sachsen, seit er polnischer König geworden war, vernachlässigte, aber Polen war nun mal ein Land, das man nur unter beständiger Anstrengung und stetem Geldfluss halten konnte. Es war ein Land mit Adligen, die nur darauf warteten, den König davonzujagen, um sich selbst die Krone aufs Haupt zu setzen. Wahlmonarchie nannte man diese polnische Angewohnheit, ein jeder, ganz gleich welcher Nationalität, konnte König werden – vorausgesetzt, der Sejm, das polnische Parlament, wählte ihn.
Friedrich August, genannt August der Starke, wollte den Thron frühestens in der Stunde seines Todes räumen. Und ihn danach nur an seinen Sohn übergeben. Doch jetzt galt es erst einmal, Fürstenbergs Geschreibsel zu betrachten. Was er zu lesen bekam, überraschte August dann aber doch.
»Ein Goldmacher aus Berlin, soso«, murmelte er vor sich hin, während er Fürstenbergs kunstvoll ausgeschmückten Bericht über dessen Festsetzung in Wittenberg folgte.
August hatte schon viele vermeintliche Goldmacher erlebt, und die meisten von ihnen saßen entweder im Kerker oder waren gleich einen Kopf kürzer gemacht worden – je nachdem, wie groß die Enttäuschung war, die sie ihrem Herrn bereitet hatten. Doch dieser Bursche schien ganz anders zu sein. Fürstenberg schrieb, dass Böttger vor Zeugen in Wittenberg Gold tingiert hätte und dass seine Methode nicht nur glaubwürdig, sondern auch absolut vielversprechend sei. Der berühmte Lascarius sei sogar sein Lehrer gewesen! Nun würde er gern wissen, wie weiter mit dem Burschen verfahren werden sollte. Die Preußen würden mit ein paar Soldaten vor Wittenberg campieren und die Herausgabe des Jungen verlangen. Der Goldmacher selbst fühle sich aber als sächsischer Untertan und wolle nur Rechenschaft vor seinem Kurfürsten ablegen.
Und das war noch nicht alles.
Dem Brief des Statthalters lag ein eigenhändig von dem Burschen unterzeichnetes Schreiben bei, in dem er sich dem Schutz Friedrich Augusts überantwortete und um Hilfe gegen die preußischen Nachstellungen ersuchte.
»Mir scheint, wir sollten uns gnädig zeigen und diesen Burschen zu uns bringen lassen. Was sagt Ihr, Nehmitz?«
»Ganz, wie Eure Majestät es wünschen«, entgegnete der Vizelehnsherr beflissen.
»Gut, dann setze ich sogleich ein Schreiben auf, mit dem Ihr unverzüglich nach Dresden reisen werdet. Von da an seid Ihr für diesen Böttger verantwortlich.«
»Ich werde versuchen, mein Amt nach Eurem Wohlgefallen zu versehen.« Nehmitz verneigte sich tief, und August bedeutete ihm daraufhin, dass er wegtreten konnte. Zusammen mit dem Boten, der nicht ein einziges Wort gesagt hatte, entfernte er sich aus dem Raum.
Ein Goldmacher, soso, hallten seine eigenen Worte durch Augusts Verstand. Vielleicht war er der Schlüssel zu einer verborgenen Schatzkammer, zu finanzieller Sorglosigkeit, wie sie sich jeder Monarch erträumte.
Rasch ließ sich der König aus dem prunkvollen Rock helfen, schickte den Schneider mit der Weisung, ja pünktlich zu liefern, von dannen und verschwand in seine Schreibstube, um das Schriftstück für Fürstenberg aufzusetzen.
16. Kapitel
A us den geheimen Aufzeichnungen des Johann Friedrich Böttger:
Gern würde ich die Zeit, die ich hier absitzen muss, vollends mit dem Niederschreiben meiner Gedanken füllen, doch ich muss noch mehr als früher darauf achtgeben, dass man das Heft, das ich wie immer am Körper trage, nicht bemerkt.
Meine Ungeduld plagt mich und ich hoffe, dass A. sicher nach Dresden gelangt ist. Natürlich ist es vermessen anzunehmen, dass Kunckel bereits auf dem Weg zu mir ist. Der Weg nach Dresden nimmt einige Zeit in Anspruch, der Weg zurück ebenso. Der Winter rückt nun erbarmungslos näher, was ich auch in meiner Zelle zu spüren bekomme. Aber mehr als die Kälte plagt mich die Ungewissheit.
Der Leutnant ist mittlerweile aus der Zelle nebenan wieder ausgezogen, wahrscheinlich ist es ihm zu kalt geworden.
Der Transmutationsversuch, den ich zur Probe durchführen sollte, war natürlich von Erfolg gekrönt, wofür ich A. zu danken habe. Der Kreisamtmann war erstaunt und entzückt und hat sogleich einen Boten entsandt, wahrscheinlich, um seinen Fürsten zu benachrichtigen. Seit ich Ryssels Dokumente unterzeichnet habe, bin ich mir darüber im Klaren, dass mich mein Weg zu Kurfürst August führen
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