Das Krähenweib
sofort entscheiden«, sagte Heinrich, als sie nicht gleich antwortete. Wahrscheinlich missdeutete er ihr Zögern.
Annalena schüttelte den Kopf. »Da brauche ich nicht lange zu überlegen. Ich nehme Euer Angebot gern an, vorausgesetzt, Euch entsteht dadurch wirklich kein Ärger.«
Jetzt lächelte Heinrich zum ersten Mal. »Es macht keinen Ärger. Ich denke wirklich, dass man Euch gut gebrauchen kann. Eine Frau, die so beherzt ist, ein Kind unter einem Wagen hervorzuziehen, und eine Aderpresse legt, wie sie ein Chirurgus nicht besser machen könnte, wird sich gewiss auch in anderen Tätigkeiten bestens zu behelfen wissen.«
Mit diesen Worten schnitt er ein Stück Speck ab und reichte es Annalena, die sich zwingen musste, es nicht wie ein Wolf hinunterzuschlingen.
»Ihr habt da ein schönes Tier, aber warum reitet Ihr ohne Sattel?«, wunderte sich Heinrich, als sie schließlich das Haus verließen.
»Ich habe keinen«, entgegnete Annalena. »Das Pferd war ein Geschenk eines Freundes, damit ich weite Strecken nicht zu Fuß laufen muss.« Sie musste ein Lächeln unterdrücken, wenn sie daran dachte, wie Röber wohl geflucht haben musste, als er das Fehlen der Pferde und des Wagens bemerkte.
Heinrich war anzusehen, dass er gern mehr über diese Geschichte gewusst hätte, doch er ahnte wohl auch, dass sie nicht darüber reden wollte. »Wenn Ihr wollt, könnt Ihr es bei mir lassen. Oder Ihr verkauft es. Ich bin mir sicher, dass Ihr ein gutes Sümmchen dafür bekommen werdet. Es sei denn, Euer Herz hängt wegen Eures Freundes daran.«
Wegen ihm ganz sicher nicht, ging es Annalena durch den Kopf, doch sie lächelte und antwortete: »Ich lasse es besser bei Euch, wenn es Euch nichts ausmacht. Ihr könnt es auch gerne reiten.«
Heinrich lächelte. »Mein Sohn wird sich darüber freuen. Er liebt Pferde. Reiten lasse ich ihn aber nicht. Noch nicht.«
Annalena nickte zustimmend, und nachdem sie dem Pferd noch einmal den Hals getätschelt hatte, ging sie mit Heinrich die Scheffelgasse hinunter. Nachdem sie an etlichen Passanten vorbeigeeilt und nur knapp zwei durch die Straßen preschenden Schweinen ausgewichen waren, tauchte das Schloss vor ihnen auf. Schon von weitem konnte man das Hämmern der Handwerker hören, die damit beschäftigt waren, den niedergebrannten Teil des Schlosses wieder in den alten Zustand zu versetzen.
Trotz der Wunde, die der Brand geschlagen hatte, wirkte das Gebäude immer noch mächtig mit seinem Turm, der sich hoch in den Himmel reckte und der weitestgehend von den Flammen verschont geblieben war. Doch über dem ganzen Gelände schwebte nach wie vor ein leichter Brandgeruch und nur zu deutlich konnte man an anderen Gebäudeteilen die Spuren eines Feuers sehen. Ein Flügel des Schlosses war eingefallen, über andere Teile hatten die Flammen nur hinweggeleckt und schwarze Spuren hinterlassen.
»Im März diesen Jahres hat es im Schloss gebrannt«, erklärte Heinrich. »Nun ist man damit beschäftigt, den Georgenbau neu zu errichten. Es wird sicher noch einige Zeit brauchen, bis das Schloss wieder im alten Glanz erstrahlt.«
Annalena sagte darauf nichts, zu gebannt war sie von dem Anblick, doch Heinrich erwartete auch keine Antwort. Er erinnerte sich nur zu gut, wie er selbst staunend vor dem Tor gestanden hatte, als er seinen Dienst zum ersten Mal antrat. »Ich werde Euch dem Hofmarschall vorstellen, er residiert dort.« Heinrich deutete zunächst auf einen Teil des Schlosses, der vom Feuer nicht so arg in Mitleidenschaft gezogen worden war, dann zeigte er auf zwei andere Bauten, die selbst wie Schlösser wirkten. »Dort drüben könnt Ihr das Fürstenberg-Palais sehen. Fürstenberg ist der Statthalter des Königs, er residiert dort. Und da hinten ist das Lusthaus des Königs.«
Annalena ließ ihren Blick über die prachtvollen Gebäude schweifen und fühlte sich fast schwindlig. Auch in Berlin hatte es schöne Häuser gegeben, doch weiter als bis zum Molkenmarkt und zum Spreeufer war sie nie gekommen. Das Königsschloss in Cölln hatte sie nicht gesehen und das Schloss in Oranienburg kannte sie nur von weitem. Aber verglichen mit den Gebäuden, die sich jetzt vor ihr erhoben, wirkte es schlicht und unauffällig. Neben dem Schloss und den Palästen gab es hier noch andere kleinere Gebäude. In einem von ihnen wurden sie vom Hofmarschall in Empfang genommen. Er war ein hagerer Mann mit eingefallenen Wangen und einer weißen Perücke auf dem Kopf, der aussah, als litte er unter
Weitere Kostenlose Bücher