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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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August war sogar gewillt, ihm zu glauben, denn er hatte ja selbst Augen im Kopf und war sehr zufrieden mit seinem Aussehen.
    Sein Haar war voll, lockig und jederzeit einer juckenden Perücke vorzuziehen. Hier und da waren einige silberne Fäden zu sehen, aber wenn man sein Haar puderte, fielen sie nicht auf. Sein Bauch rundete sich zwar, aber dennoch wirkte er nicht plump. Seine lange Nase, die er von seiner Mutter und Generationen dänischer Könige geerbt hatte, verlieh seinen Zügen etwas Edles, die buschigen Brauen, die seine Augen krönten, gaben seinem Gesicht etwas Entschlossenes. Wenn er einen Raum betrat, verblassten sämtliche Schönlinge, die seinen Hof bevölkerten. Wenn er in einem Saal war, drehte sich alles nur um ihn wie um die Sonne.
    August, in seinem 31. Lebensjahr, wusste nur zu gut, welche Wirkung er auf die Frauen hatte. Bereits die dritte offizielle Mätresse teilte das Lager mit ihm, und es schien, als könne er jedes Weib haben, das ihm ins Auge fiel. Neiderfüllte Zungen an seinem Hof und an dem des Preußenkönigs sagten ihm nach, dass sich die Zahl seiner Kinder bereits auf mehr als hundert beliefe, aber er wusste nur zu gut, dass das gelogen war. Er goutierte die Liebe sooft er nur konnte, doch nicht jede Liebesnacht brachte ein Kind hervor – nicht einmal bei einem Mann wie ihm. Außerdem konnte eine schwangere Frau kein zweites Kind empfangen.
    »Wie lange wird Er brauchen, um alles fertig zu bekommen?«, fragte August und ließ seinen Blick über die Stoffballen gleiten, die der Schneider mitgebracht hatte. Neben den Gewändern, die er gerade anprobiert hatte, hatte er weitere Röcke, Hemden und Kniehosen geordert, genug, um die Ballsaison im Winter zu überstehen.
    »Wann es Eure gnädige Majestät wünschen«, antwortete der Schneider untertänig, obwohl er wusste, dass die gesamte Arbeit Wochen in Anspruch nehmen würde. Der König achtete peinlich genau darauf, dass alles bestens genäht war und keine noch so kleine Perle oder anderer Zierat locker saß.
    »Nun, drei Wochen kann ich Euch geben, dann allerdings gedenke ich einen Ball zu veranstalten und will nicht gerade in dem Habitus erscheinen, in dem mich meine Adligen kennen. Sie könnten sonst den Eindruck gewinnen, dass ich an Geldmangel leide.«
    Beim Sprechen musste August aufpassen, dass er nicht wieder in seinen gewohnten sächsischen Dialekt verfiel. In seiner Heimat Sachsen verstand ihn jedermann, doch hier, in Warschau, hatten die Deutschen und vor allem die deutschsprechenden Polen, die in seinen Diensten standen, Schwierigkeiten, ihn zu verstehen. Obwohl er es als König nicht nötig hatte, Eingeständnisse zu machen, wollte er doch Wohlwollen zeigen, indem er so sprach, wie es ihm sein Erzieher aus Kindertagen beigebracht hatte. Doch ab und an, besonders dann, wenn ihn etwas stark bewegte, brach der Akzent wieder durch. Dann erntete er verwirrte Mienen seitens seiner Höflinge, die aber sogleich Verständnis heuchelten.
    Bevor der Schneider versichern konnte, dass alles zu seiner Zufriedenheit erledigt werden würde, klopfte es an der Tür. Eigentlich hatte er sich ausgebeten, nur in dringenden Fällen gestört zu werden. Solche Fälle waren Rebellionen, Kriegserklärungen und Nachrichten aus dem Feldlager. Zwar hielt er es für sehr unwahrscheinlich, dass eine solche Nachricht auf ihn wartete, denn August hatte sich erst vor kurzem dem Schwedenkönig geschlagen geben müssen, aber man konnte nicht wissen, was dieses Kind, wie August den noch sehr jungen Karl XII. von Schweden nannte, wieder ausgeheckt hatte.
    »Trete Er ein!«, rief August, ohne den Blick vom Spiegel abzuwenden.
    Die Tür öffnete sich und herein trat sein Vizelehnssekretär Michael Nehmitz in Begleitung eines Mannes, dessen Kleider vor Schlamm und Dreck nur so starrten. Beide Männer verneigten sich augenblicklich vor dem König und erhoben sich erst, als August fragte: »Was habt Ihr für mich, Nehmitz?«
    »Eine Nachricht aus Dresden ist soeben eingetroffen, Majestät. Vom Herrn Statthalter Fürstenberg.« Nehmitz ließ sich von dem Boten das Schreiben reichen und gab es an August weiter.
    Was kann der schon wieder wollen, fragte sich der König, war aber zumindest erleichtert darüber, dass es nicht irgendwelche Nachrichten von den Schweden waren, die sich im lettischen Kurland ein gemütliches Winterlager eingerichtet hatten. Er brach das Siegel seines Statthalters und überlegte sich, wie es seine Angewohnheit war, noch vor dem Lesen, worum

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