Das Krähenweib
Forken aussahen.
»Was sind das für Forken?«, fragte Annalena neugierig.
»Man nennt sie Gabeln.« Martha lachte. »Wusstest du das nicht?«
»Mein früherer Herr hat so etwas nicht besessen.«
»Er war ja auch kein Fürst, oder?«
Annalena schüttelte den Kopf. »Nein, das war er ganz sicher nicht.«
»Na siehst du. So was können sich nur Menschen von Adel leisten.« Damit machte sie sich wieder an die Arbeit.
Als auch die letzte Gabel ihren Platz gefunden hatte, kehrten Annalena und Martha in die Küche zurück. Auf halbem Weg kamen ihnen eine ganze Reihe von Küchenjungen entgegen, die abgedeckte Schüsseln und Tabletts vor sich hertrugen. Der Küchenmeister ging neben ihnen her und beaufsichtigte den Zug, auf dass keiner der Burschen auf die Idee kam, einen Mundraub zu begehen. Sobald er die beiden Mägde sah, wies er sie scharf an: »Lauft in die Küche und holt, was noch da ist. Beeilt euch, Seine Majestät wünscht keine Säumigkeit.«
Annalena und Martha nahmen die Beine in die Hand. Wenig später waren sie ebenfalls mit einem Tablett auf dem Weg in den Speisesaal. Inzwischen hatte sich der Raum mit den Gerüchen der aufgetragenen Speisen gefüllt. Plötzlich nahm ihr einer der Köche das Tablett aus der Hand. »Lauf los zum Kellermeister und hol noch Wein«, trug er ihr auf. »Da hinten ist die Kanne. Beeil dich!«
Annalena nickte, schnappte sich einen Krug und lief los.
Sie war noch nicht weit gekommen, da sah sie plötzlich den Kurfürsten mit ein paar Männern den Gang hinunterschreiten. Annalena war noch nie so hohen Herren begegnet, sie wusste nicht, was die Etikette von ihr verlangte. Sollte sie knicksen, einfach vorbeihuschen oder warten? Auch flößte Augusts Person ihr ziemlichen Respekt ein, so dass sie sich nicht anders zu helfen wusste, als hinter ein Treppengeländer zu flüchten. So lebhaft, wie sich die Männer unterhielten, würden sie bestimmt nicht nach links oder rechts schauen.
»Meine Herren, ich sage euch, dass dieser Kinderkönig im nächsten Jahr den Kürzeren ziehen wird«, donnerte der Kurfürst entschlossen. »Ich werde ihn zurück nach Schweden treiben, mit Hilfe Peters des Großen!«
Annalena hatte die Mägde schwatzen hören, dass es Krieg in Polen gab. Der Schwedenkönig machte August seine Ländereien streitig und hatte ihm sogar schon einige Landstücke abgenommen.
Sie reckte den Hals, um einen Blick auf den Kurfürsten zu erhaschen. Nur einen winzigen Moment war sie dabei unachtsam, doch er reichte, um den Krug aus ihren Händen gleiten zu lassen. Er zerschellte mit einem lauten Scheppern auf dem Fußboden. Starr vor Schreck sah Annalena auf die Scherben, und natürlich war die Gruppe jetzt auf sie aufmerksam geworden.
»Was ist das?«, fragte der Kurfürst. Als er keine Antwort erhielt, sagte er zu Annalena: »Komme Sie her, damit wir Sie betrachten können!«
Verdammter Krug, dachte Annalena, warum musste er mir gerade jetzt herunterfallen? Wenn der Küchenmeister davon erfährt, wird er sein Versprechen wahr machen und mich rauswerfen. Oder schlimmer noch, es würde ihr so gehen wie dem Dresdner Mönch.
»Verzeiht, Eure Majestät, ich …« Annalena versank in einen so tiefen Knicks, dass sie beinahe umgefallen wäre.
»Erhebe Sie sich!«, sagte er schließlich und trat ihr ein paar Schritte entgegen.
Annalena war sich sicher, dass sie eine schlimme Strafe zu erwarten hatte. Sie malte sich aus, was nun mit ihr passieren würde. Sie hielt den Blick demütig gesenkt, doch der Mann griff nach ihrem Kinn. Von ihm ging ein kräftiger Geruch nach Leder, Schweiß und Pferd aus.
»Sie ist neu hier, habe ich recht?«
Annalena dachte, ihr Brustkorb müsse unter den raschen Herzschlägen bersten. Die Männer, die ein paar Schritte hinter ihrem Fürsten zurückgeblieben waren, murmelten und lachten verhalten.
»I…ich bin vor zwei Wochen hier in den Dienst getreten, Eure Majestät.«
»Und wo versieht Sie Ihren Dienst?«
»In der Küche.«
»Und wie ist Sie zu dieser Anstellung gekommen? Mein Hofmarschall ist ein strenger Mann.«
»Durch den Herrn Heinrich«, antwortete Annalena wahrheitsgemäß.
Was hatte seine Bemerkung wohl zu bedeuten? Glaubte er etwa, dass sie nicht geeignet war für den Hofdienst? Wenn man den zerbrochenen Krug und ihren ungeschickten Knicks bedachte, musste sie zugeben, dass diese Vermutung durchaus legitim war.
»Ich habe seinen Sohn in der Stadt vor dem Verbluten bewahrt«, setzte sie hinzu, damit Heinrich keine
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