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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Kutsche brachte.
    Kurz nachdem sie Wittenberg verlassen hatten, wurde ihm eine Augenbinde angelegt, als fürchteten seine Bewacher, er könnte sich wie ein Hund den Weg merken und wieder nach Hause laufen.
    Eine ganze Weile ging es über Stock und Stein. Nur wenn einer von ihnen seine Notdurft verrichten musste, wurde angehalten, ansonsten fuhren sie ununterbrochen. Mahlzeiten wurden unterwegs eingenommen. Da man Johann weder die Augenbinde abnehmen noch seine Handfesseln lösen wollte, fütterte man ihn kurzerhand. Wenigstens war die Wegzehrung besser als das, was er im Kerker bekommen hatte – von Annalenas Korb mal abgesehen.
    Wieder und wieder war sie ihm in den Sinn gekommen. Er hoffte beinahe, sie hätte ihn und seine Bitte um Hilfe einfach vergessen, doch während der Fahrt fielen ihm mehr und mehr Gründe ein, die Kunckels Auftauchen in Wittenberg verhindert haben könnten. Er war vielleicht abgefangen worden – oder man hatte Annalena überfallen und ihr das Schreiben abgenommen. Sie könnte getötet worden oder Kunckel vor Schreck einem Herzanfall erlegen sein.
    Das alles erschien ihm wahrscheinlicher, als dass Annalena unterwegs das Schreiben in den Wind geschickt und sich dann davongemacht hatte. Mit bangem Herzen fragte er sich, ob er sie jemals wiedersehen würde. In Wittenberg war sie nicht wieder aufgetaucht, vielleicht hatte Kunckel ihr angeboten, auf seinem Gut zu bleiben.
    Sollte er August, oder wem auch immer er vorgeführt werden würde, die Bedingung stellen, Annalena zu suchen, im Austausch gegen seine Künste? Nein, das wäre dumm, und Johann hatte genug von seinen eigenen Torheiten. Sie hatten ihn letztlich hierhergeführt. Jetzt galt es, besonnen zu handeln und den Geist des Forschers über die Repressalien siegen zu lassen.
    Nach einer scheinbar endlosen Reise machte die Kutsche irgendwann endgültig halt. Daran, wie die Geräusche des Geschirrs und der Räder widergehallt waren, schloss Johann, dass sie auf einen gepflasterten Hof gefahren waren, der von hohen Gebäuden umstanden wurde. »Wir sind da!«, sagte einer seiner Begleiter, dann wurde die Tür des Kutschenschlages geöffnet und man half ihm nach draußen.
    Nach der langen erzwungenen Blindheit schienen sich Johanns andere Sinne zu schärfen. Er lauschte, als einer der Männer mit dem Kutscher flüsterte. Er meinte den Namen Fürstenberg zu hören, doch Weiteres konnte er nicht verstehen, denn sein Nebenmann packte seinen Arm und schob ihn vorwärts. Der Griff war nicht so fest, dass es schmerzte, aber fest genug, damit er nicht auf die Idee kommen konnte, sich loszureißen. Die Männer drängten ihn beständig voran, ungeachtet dessen, dass er zuweilen stolperte oder ein Schwindel ihn erfasste, wenn es zu schnell um die Ecke ging. Er hörte seine Schritte auf dem Pflaster, spürte, wie sich die Steine an die Sohlen seiner Stiefel schmiegten. Ein eisiger Luftzug fuhr ihm unters Hemd, der allerdings verschwand, als sich der Untergrund unter seinen Füßen änderte. Sie waren ins Innere eines Gebäudes getreten.
    Nach einigen Metern sagte einer seiner Begleiter: »Gebt Obacht, da ist eine Treppe.«
    Johann wünschte die Augenbinde und die Fesseln zum Teufel. Die ersten Stufen brachte er nur zögerlich hinter sich, doch als er herausgefunden hatte, welche Schritthöhe erforderlich war, konnte er schneller ausschreiten. Die Treppe war gleichmäßig und wand sich. Offenbar ging es ein gutes Stück hinauf. Als sie schließlich oben angekommen waren, führte man ihn durch einen Gang, in dem die Schritte von Teppichen gedämpft wurden. Nach einer Weile machten sie halt, und Johann hörte, dass einer seiner Begleiter an eine Tür klopfte. Die Stimme, die daraufhin antwortete, klang weich, aber dennoch bestimmt. Sie bat die Neuankömmlinge herein. Johann vernahm das Quietschen der Angeln, und wurde dann in den Raum geführt. Als ihm unvermutet die Augenbinde abgenommen wurde, war er zunächst geblendet von dem Licht, das ihm entgegenstrahlte.
    Nach und nach nahm er die Möbel und den Zierat an der Wand wahr, erkannte dann kleinere Einzelheiten und erblickte schließlich einen Mann, der ihm in einem feinen Gehrock entgegentrat. Die Perücke auf seinem Kopf saß tadellos und seine Miene war unbeweglich, als sei sie aus Marmor gehauen.
    »Ich heiße Euch willkommen, Monsieur Böttger«, sagte er, als sich ihre Blicke trafen und er gewiss sein konnte, dass der Gefangene ihm zuhörte. »Mein Name ist Anton von Fürstenberg, ich bin der

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