Das Krähenweib
die zerstörten Zimmer schon bald wieder bezogen werden konnten. Solange musste man sich mit den Räumen begnügen, die das Feuer verschont hatte. Das waren bei weitem nicht die schönsten und repräsentativsten – aus diesem Grund hatte August es auch vorgezogen, weiterhin in Warschau zu bleiben. Doch für die Unterbringung des Alchemisten würden sie ausreichen.
Das Schloss, die polnische Herrschaft, das alles waren bodenlose Löcher, die das Geld nur so verschlangen. Dass er jetzt einen Goldmacher in die Hand bekommen sollte, hellte sein Gemüt erheblich auf. Ein Klopfen an die Tür des Kabinetts holte ihn aus seinen Gedanken fort. »Kommt rein!«, rief er und begab sich hinter seinen Schreibtisch.
Im nächsten Moment trat der Herr Statthalter ein. Wie immer ganz die Würde in Person, saßen der smaragdgrüne Samtrock und die passenden Beinkleider tadellos.
»Ah, Fürstenberg, welche Nachrichten habt Ihr für mich?«
»Nur die besten, Eure Majestät«, antwortete er. »Soeben habe ich Kunde erhalten, dass die Kutsche, die den Goldmacher beherbergt, auf dem Weg hierher gesichtet wurde. Ich habe dem Herrn Generalmajor Albendyll die Order gegeben, ihn nach Moritzburg zu bringen, ich hoffe, das war in Eurem Interesse.«
»Und ob es das war, Fürstenberg!«, entgegnete August mit einem breiten Lächeln. Hätte Fürstenberg nicht diese Nachricht gebracht, hätte er sich wohl die Frage gefallen lassen müssen, warum der Bursche noch nicht hier war.
»Wollen Majestät, dass wir sofort dorthin aufbrechen oder …« Fürstenberg brach mit einem dezenten Hüsteln ab.
August wusste, was der Statthalter andeuten wollte. Aber diese Nacht würde Fatime leider allein verbringen müssen.
»Nein, lasst sofort anspannen, Fürstenberg. Ich gedenke, den Burschen in Empfang zu nehmen, sobald er da ist. Sorgt aber dafür, dass ich im dazugehörigen Protokoll nicht erwähnt werde und auch sonst nichts verlautbar wird. Ihr wisst, das Verhältnis zu unserem Verwandten in Berlin-Cölln ist wegen diesem Subjekt nicht gerade das beste.«
»Ich verstehe, Eure Majestät.« Fürstenberg deutete eine untertänige Verbeugung an.
»Gut, dann macht Euch an die Arbeit. Eine Reise nach Moritzburg ist mir allemal lieber, als die Erledigung dieses Papierkrams.«
Fürstenberg sah ihn daraufhin an, als wollte er sagen, dass dieser Papierkram die Essenz des Staatsgeschäftes war, doch solcherlei auszusprechen hätte er nie und nimmer gewagt. Er zog sich also zurück, und erfreut, dass sich offenbar alles so entwickelte, wie er es gewünscht hatte, folgte der Kurfürst seinem Statthalter aus dem Kabinett.
Später am Abend – dem letzten Abend, den sie im Quartier der Mägde verbrachte – lag Annalena mit offenen Augen auf dem Strohsack und starrte an die Decke. Wenn sie ehrlich war, machte ihr die neue Aufgabe Angst. Was erwartete sie? Würde sie den Anforderungen gewachsen sein?
Martha und ihre anderen Zimmergenossinnen hatten zunächst nicht glauben wollen, dass sie dem Kurfürsten begegnet war und von ihm diese Stelle erhalten hatte. Aber da sie ab morgen ein anderes Quartier bezog, musste es wohl stimmen.
Katrin und Nele machten ein paar spöttische Bemerkungen, doch die kamen nur daher, dass sie neidisch waren. Martha wirkte ein wenig traurig. »Du wirst mir fehlen«, sagte sie, als sie das Licht löschte. »Bis auf den zerbrochenen Teller hast du gut abgewaschen, und wer weiß, wann Lina und ich wieder Hilfe bekommen.«
Annalena wollte gerne versprechen, dass sie sie besuchen und sich auch weiterhin um die Kräuter in der Orangerie kümmern würde, doch sie wusste ja gar nicht, ob sie diese Versprechen überhaupt einhalten konnte. Also schwieg sie lieber und nahm sich im Stillen vor, Martha nicht zu vergessen.
Bevor ihr schließlich doch die Augen zufielen, hörte sie von draußen Hufgetrappel. Eine Kutsche schien den Hof zu verlassen, was seltsam schien, denn wohin hätte sie zu dieser nachtschlafenden Zeit fahren sollen. Die Stadttore waren doch geschlossen! Vielleicht war es der Kurfürst, der sich die Tore von seinen Wachen öffnen ließ.
Ihre letzten Gedanken vor dem Einschlafen galten Johann. Die Anstrengungen und Überraschungen des Tages hatten sie ihn ganz vergessen lassen, doch sobald sich die Gelegenheit ergab, würde sie seinen Freund Kunckel aufsuchen, um zu erfahren, was mit ihm geschehen war – und ob der Kurfürst ihn wirklich in seiner Gewalt hatte.
18. Kapitel
J ohann hatte keine Ahnung, wohin ihn die
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