Das Krähenweib
nicht, ob sie dem gerecht werden konnte. Doch sie wollte diese Frau mit den verträumten schwarzen Augen nicht enttäuschen. Nicht, solange sie es nicht musste.
»Wenn Ihr Hilfe braucht oder über etwas reden wollt, dann könnt Ihr mir vertrauen«, sagte sie sanft. »Ich kann Geheimnisse hüten.«
Fatime blickte sie prüfend an, und Annalena war es, als könnte sie für einen kurzen Moment in ihre Seele schauen. Was sie dort sah, schien sie zu überzeugen. Sie lächelte ihr zu und sagte dann: »Es ist Zeit, dass wir zurückkehren. Die Gräfin Löwenhaupt sich Sorgen macht.«
Damit kehrten sie zu den Gemächern zurück, und in dem Augenblick, als sie die Tür durchschritten, wurden sie wieder zu der schweigsamen Mätresse und der Dienstmagd. Doch die Blicke, die sie sich von Zeit zu Zeit zuwarfen, waren die von Freundinnen.
Friedrich Röber stand in einer kleinen Gasse, den Mantel fest um sich geschlungen und den Blick zum Schloss erhoben, das sich finster in den Abendhimmel reckte. Die Preußen hatten sich in der Stadt umgehört, doch niemand wollte etwas von der Ankunft eines Goldmachers wissen. Vielleicht hätten sie versuchen sollen, die Wachen zu bestechen, doch diese Sachsen waren ein unberechenbares Volk. Obwohl ihr Kurfürst sie enttäuscht hatte, indem er für die polnische Krone katholisch wurde, war er doch immer noch beliebt bei ihnen, besonders deshalb, weil er das geltende Gesetz, dass der Landesherr die Religion seines Volkes bestimmte, für sie außer Kraft gesetzt und ihnen den lutherischen Glauben gelassen hatte. Jemanden zu finden, der ihn verraten würde, wäre äußerst schwierig gewesen.
Leider schien auch Annalena noch keinen Erfolg gehabt zu haben. Wenn sie denn überhaupt nach Böttger suchte. Die Preußen hatten vielleicht recht, geschützt von den Schlossmauern dachte sie möglicherweise, dass sie sie an der Nase herumführen könnte. Aber irgendwann müsste sie das Schloss wieder verlassen. Wenn sie zweimal auf Botengang geschickt wurde, würde es auch ein drittes Mal geben, und dann Gnade ihr Gott!
Doch heute Abend blieb das Schlosstor zu, niemand ging hinaus, niemand hinein. Nach und nach flammte Licht hinter den Fenstern auf, auch wenn der Kurfürst nicht hier war, beleuchtete man die Räume. Röber schaute wie gebannt auf das Schloss, als sich ihm plötzlich eine Hand auf die Schulter legte.
»Es gibt Neuigkeiten«, raunte ihm eine Stimme ins Ohr, und nur der Umstand, dass er sie sofort erkannte, hielt ihn davon ab, vor Schreck laut aufzuschreien.
»Himmel!«, rief er nur aus und wandte sich dann Marckwardt zu, der mit der Wand hinter ihm zu verschmelzen schien. Wie lange mochte er ihn schon beobachtet haben?
»Was gibt es?«
»Der Kurfürst weilt hier. Inoffiziell. Er hat Dresdens Stadttore mit kleinem Gefolge durchfahren und gewünscht, dass diese Nachricht niemandem kundgetan wird. Ich würde meine Pistolen darauf verwetten, dass es dafür einen guten Grund gibt.«
»Böttger«, entgegnete Röber und blickte sich instinktiv nach allen Seiten um, aber wären Zuhörer in der Nähe gewesen, hätte Marckwardt ihn nicht angesprochen.
»Ja, wie es scheint, ist der Goldjunge wirklich schon hier. Ich frage mich, wie lange es dauern wird, bis die Frau uns Bescheid gibt.«
Röber hörte in diesen Worten deutlich eine Antwort: nie. Aber er wollte seine Hoffnung, sie mit der Aussicht auf eine ehrbare Zukunft geködert zu haben, nicht aufgeben.
»Wir werden sehen«, antwortete er also.
»Ja, das werden wir wohl.« Marckwardt ließ seinen Blick über die Silhouette des Schlosses schweifen. »Die Schlösser unseres Königs Friedrich sind prachtvoller. Der Sachsenfürst scheint den Goldmacher wirklich dringend zu brauchen.«
»Vielleicht sind seine Schlösser in Polen noch übler«, fiel Röber in die Lästerei ein.
»Mag sein. Man munkelt, dass seine polnische Krone wackelt. Der Schwedenkönig macht ihm mehr zu schaffen, als man in Sachsen zugeben will. Wenn er seinen Goldmacher verliert, käme das unserem eigenen König nur zugute, denn ein starkes Sachsen ist gewiss nicht das, was er will.«
Röber sagte dazu nichts. Als Kaufmann wusste er, dass man eine Ware erst dann feilbieten konnte, wenn man sie im Lager hatte. Noch waren sie weit davon entfernt, Böttger in ihrer Hand zu haben. »Lasst uns gehen. Ich bin mir sicher, dass sich heute Abend hier nichts mehr regen wird. Meine angefrorenen Zehen könnten einen heißen Gewürzwein gut vertragen.«
Als sie sich aus ihrem
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