Das Krähenweib
ihrer Augen? Ein Merkmal, das er bislang all seinen Kindern mitgegeben hatte, war die Nase seiner dänischen Mutter, ein Erbstück des holsteinischen Geschlechts, das seit einigen hundert Jahren die dänische Königskrone trug. Ob auch dieses Kind sie bekommen würde?
Einen stattlichen Offizier würde er aus seinem Sohn machen und wenn es eine Tochter wurde, dann würde er sie mit einem einflussreichen polnischen Adeligen verheiraten. Dieser würde sich glücklich schätzen können, denn gewiss wäre das Mädchen eine Schönheit, und sie würde seinen Geist besitzen und vielleicht auch sein Temperament im Bett.
Aber zuvor musste er dafür sorgen, dass Fatime ein gutes Leben ohne Schande führen konnte. Vor kurzem war ihm ein junger Beamter aufgefallen, von Spiegel war sein Name. Er entstammte einer alten Adelsfamilie und war noch ledig, was ihn zum idealen Kandidaten machte. Wenn man ihn mit den entsprechenden Ämtern bedachte, würde er vielleicht darüber hinwegsehen, wenn sich der Kurfürst statt seiner ins Bett seiner Frau legte.
Ein verhaltenes Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Sämtliche Diener hatten strikte Order, ihn nur dann zu stören, wenn es wirklich etwas Wichtiges gab. Da kein einziger Kammerherr oder –junge es wagen würde, seinen Herrn zu verärgern, musste es sich wohl tatsächlich um etwas Wichtiges handeln. August verließ das Bett so vorsichtig wie möglich, um Fatime nicht zu wecken, dann warf er sich wütend seinen Morgenmantel über. Nachdem er Fatime einen Kuss auf die Stirn gegeben hatte, verließ er das Schlafgemach.
Sein Minister Flemming erwartete ihn im Audienzzimmer. So bleich, wie er um die Nase war, fürchtete August fast, dass der Preußenkönig ihm wegen des Goldmachers den Krieg erklärt hatte. Doch es kam noch schlimmer.
Flemming fiel in eine tiefe Verbeugung und nachdem ihm der Kurfürst zu reden gestattet hatte, sagte er: »Verzeiht die Störung, Eure Majestät, ich hätte es niemals gewagt, Euch in Eurer Nachtruhe zu behelligen, wenn es nicht eine Angelegenheit von größter Dringlichkeit …«
»Kommt zur Sache, Flemming!«, unterbrach August ihn. Zu dieser Stunde hatte er keine Lust auf seinen geziert formellen Ton. Keine Schmeichelei und keine Entschuldigung würde seine gestörte Nachtruhe rückgängig machen.
»Eure Majestät, wir haben Kunde erhalten, dass der schwedische König sich anschickt, sein Winterlager zu verlassen. Unsere Spione haben herausgefunden, dass Vorbereitungen zum Aufbruch getätigt werden, und ich hielt diese Nachricht für dermaßen bedeutend, dass ich sie Ihrer Majestät dringlich mitteilen musste.«
August fühlte sich, als hätte er gerade eine Ohrfeige erhalten. Ein Vormarsch zu dieser Jahreszeit war mit Vernunft besehen glatter Wahnsinn, doch dem tollkühnen Schwedenjungen traute er alles zu. Auch, dass er die winterliche Waffenruhe brechen und zu einem Überraschungsschlag ausholen würde.
Und das könnte fatal sein. Nicht nur, dass Augusts Armee nach der letzten verlorenen Schlacht ihre eigentliche Stärke noch nicht wiedererlangt hatte, diesmal würde Karl gen Warschau ziehen. Es würde keineswegs zu den Glanzpunkten seiner Regierung gehören, aber in diesem Falle müsste er den Hof nach Krakau verlegen. Das bedeutete allerdings auch, dass er sogleich nach Polen zurückkehren musste und somit nicht auf die Vorführung des Goldmachers warten konnte.
Flemmings Blick ruhte abwartend auf ihm, der Minister wagte allerdings nicht, ihn direkt anzusehen. August ließ ihn noch ein Weilchen schmoren, dann sagte er: »Sorgt dafür, dass Beichlingen unverzüglich vor mir erscheint. Wir reisen so schnell wie möglich ab.«
»Sehr wohl, Eure Majestät«, antwortete Flemming und verbeugte sich noch ein Stück tiefer. In dieser Haltung verharrend näherte er sich rücklings der Tür.
Es dauerte keine Viertelstunde, bis Wolf Dietrich von Beichlingen im Audienzzimmer eintraf. Sein Haar war im Nacken locker zusammengebunden, sein Nachthemd unter einem braunen Samtmantel mit goldenen Verbrämungen verborgen. »Eure Majestät wollten mich sprechen?«, fragte er mit einer tiefen Verbeugung.
Der Kurfürst nickte und bedeutete ihm, dass er Platz nehmen sollte. Beichlingen war darüber besorgt, denn es schien fast so, als hätte August eine Nachricht für ihn, die ihn alles andere als erfreuen würde. Die späte Stunde tat ein Übriges, um seine Besorgnis wachsen zu lassen.
»Der Schwedenjunge macht neuerlichen Ärger. Ich werde zum
Weitere Kostenlose Bücher