Das Krähenweib
Hof nach Polen zurückkehren müssen.«
Diese Nachricht war allerdings wie geschaffen, einen Mann von den Füßen zu werfen. »Er rückt vor? Im Winter?« Der Großkanzler schüttelte fassungslos den Kopf. Dieser Schwede war ja noch schlimmer als sämtliche Türken, Russen und Tataren zusammen!
»Bis jetzt noch nicht, aber Flemming meldete mir soeben, dass unsere Spione Hinweise auf einen Aufbruch in seinem Lager beobachtet haben. Ich halte es für möglich, dass er die Frechheit besitzt, nach dem Weihnachtsfest zuzuschlagen.«
»Aber der Winter wird seiner Mannschaft gewiss hinderlich sein.«
August winkte ab. In seinem Gesicht konnte Beichlingen beinahe so etwas wie Resignation sehen, was eigentlich gar nicht zu einem Mann passte, der Hufeisen verbiegen konnte.
»Wir haben geglaubt, dass so manches diesem Burschen hinderlich wäre. Seine Jugend, seine Hitzköpfigkeit, seine Unerfahrenheit. Aber er hat uns ein ums andere Mal vorgeführt und bewiesen, dass er kein Mann ist, den man unterschätzen sollte. Selbst der russische Zar musste zugeben, dass dieser junge König ein ernstzunehmender Gegner ist.« August legte eine nachdenkliche Pause ein, dann blickte er seinem Vertrauten geradewegs in die Augen. »Ihr werdet mich unterrichten, wenn die Requisiten des Goldmachers eingetroffen sind. Ich will, dass er vor Euren Augen und denen Fürstenbergs unverzüglich einen Versuch unternimmt.«
Beichlingen nickte dienstbeflissen. »Ich werde dafür sorgen, dass es ihm an nichts mangelt und dass er seine Arbeit sogleich aufnehmen kann.«
Diese Antwort schien den Kurfürsten zufriedenzustellen, denn er klopfte Beichlingen auf die Schulter. »Recht so, mein Freund! Ich zähle auf Euch. Ich würde gern hierbleiben und es mir selbst anschauen, denn ich habe das Gefühl, dass dieser junge Mann einige Überraschungen für uns bereithält. Seid mein Auge und mein Ohr an diesem Ort und gebt auf Euch acht.«
»Das werde ich, Eure Majestät.« Mit diesen Worten verneigte er sich und küsste Augusts Krönungsring. »Ich bereite sofort alles für Eure Abreise vor.«
Der Kurfürst nickte und bedeutete Beichlingen, dass er gehen konnte. Anstatt zu Fatime zurückzukehren, blieb er noch eine Weile in seinem Kabinett sitzen und starrte in die Luft. Im Gegensatz zu vorhin, als er eine glänzende Zukunft für sein Kind erträumte, waren es nun finstere Bilder von Tod und Zerstörung, die vor seinen Augen erschienen. Er sah sich selbst die Königskrone an den Schweden abgeben, sah seinen gedemütigten Rückzug aus Polen und den Spott, den ihm der Adel von allen Seiten zukommen lassen würde. Den Polen war es gleich, wer sie regierte, wenn es denn nur ein glanzvoller König war. Und dem protestantischen Schwedenbengel war sogar zuzutrauen, dass er sie alle bekehrte, anstatt sich selbst der katholischen Konfession zuzuwenden.
Als Annalena Moritzburg kurz vor Morgengrauen erreichte, sah sie, dass die Knechte gerade dabei waren, die Pferde aus dem Stall zu holen. Offenbar wollte der Kurfürst so früh schon ausreiten, allerdings sah es nicht so aus, als würde eine neuerliche Jagd stattfinden. Wollte er vielleicht zurück nach Dresden?
Ihr Herz begann zu rasen. Wenn der Kurfürst Johann im Schloss untergebracht hatte, wäre es vielleicht doch möglich, ihn zu sehen. War ihr das auf Kunckels Gut noch aussichtslos erschienen, hatte die eisige Morgenluft ihren Verstand so weit geklärt, dass ihr eine Idee kam, wie sie Johann finden könnte. Sie erinnerte sich noch sehr gut an den Klatsch in der Küche, vielleicht konnte ihr dieser von Nutzen sein.
Jetzt musste sie allerdings sehen, dass sie das Pferd unbemerkt zurückbrachte und dann ins Schloss kam. Die schlaflose Nacht würde sie gewiss bald müde und nachlässig machen, aber im Moment war sie viel zu aufgeregt, weil ihr Johann plötzlich wieder so nahe schien.
Kurz verbarg sie sich hinter einigen Baumstämmen und beobachtete von dort das Treiben auf dem Schlosshof. Dann, als gerade sämtliche Knechte im Stall waren, ritt sie zu den anderen Pferden. Zeit, die Flicken von den Füßen ihres Tieres zu entfernen, hatte sie nicht, aber vielleicht würden es die Burschen für einen Streich halten, den sich einer von ihnen erlaubt hatte. Bevor sie ihrer ansichtig werden konnten, huschte Annalena zurück ins Schloss und sah dann zu, dass sie zu ihrem Quartier kam.
Auf halbem Wege stieß sie dabei auf den Kurfürsten und seine Begleiter und verbarg sich hinter einer Säule. Sie wollte nicht
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