Das Krähenweib
aber Johann konnte dem Burschen ansehen, dass er mit sich rang. Er wusste nicht, was man ihm erzählt hatte, aber der Junge war bestimmt neugierig auf den geheimnisvollen Gast. Doch er hielt stand. Er verrichtete seine Arbeit und wandte sich dann um.
»Bis heute Abend!«, rief Johann ihm nach, als er der Tür zustrebte. Als der Page einen kleinen Moment stockte, schien es Johann fast, als würde er nun doch etwas sagen wollen, doch dann entschied er, dass ihm seine Anstellung lieber war als die Befriedigung seiner Neugierde. Noch bevor Johann sich an den Tisch setzen konnte, erschien Pabst. Er war bester Dinge.
»Ich komme, um Euch mitzuteilen, dass wir alles wie gewünscht ins Laboratorium gebracht haben. Außerdem habe ich mir erlaubt, den Herrn von Fürstenberg davon in Kenntnis zu setzen. Er wird Seine Majestät benachrichtigen, und sobald er eintrifft, könnt Ihr uns eine Vorführung geben.«
Johann starrte auf sein Frühstück, alles andere als erfreut über Pabsts Überschwang. Doch er machte gute Miene zum bösen Spiel.
»Vielen Dank, Monsieur Bergmeister, ich bin Euch sehr verbunden.« Wie echt seine Worte geklungen hatten, wusste er nicht, aber es war ihm in diesem Augenblick auch egal. Gleich, wenn Pabst fort war, würde er seine Dukaten hervorholen und dann versuchen abzuschätzen, wie viele er brauchte und vor allem, wann er sie in dem Tiegel unterbringen konnte.
Nachdem bekanntgeworden war, dass der Kurfürst noch an diesem Morgen zurück nach Polen reisen würde, wurden auch bei den Damen Reisevorbereitungen getroffen. August schickte seinen Leibarzt, um nach Fatime zu sehen, doch da er sie für reisetauglich hielt, wurden die Kisten, die erst vor kurzem abgeladen und ausgepackt worden waren, wieder eingepackt und auf die Wagen befördert.
Die Hektik war allerdings nicht so groß, dass die Gräfin Löwenhaupt keine Zeit gehabt hätte, sich auf Annalena zu stürzen. »Wo bist du gewesen? Mir ist zu Ohren gekommen, dass du heute Morgen nicht in deinem Quartier warst. Ich dulde es nicht, wenn die Mägde sich herumtreiben!«
Annalena schoss das Blut in die Wangen. Sie konnte der Gräfin unmöglich erklären, dass sie nachts weggeritten war.
»Sie war für mich unterwegs, ein Auftrag«, schaltete sich Fatime ein, was das Getuschel im Hintergrund zum Verstummen brachte. Die Gräfin hätte nun fragen können, um was für einen Auftrag es sich gehandelt hatte, doch das wagte sie nicht.
»Nun gut, dann geh an die Arbeit!«, fuhr sie Annalena an und warf ihr einen warnenden Blick zu, als wüsste sie, dass Fatime sie mit einer Lüge in Schutz nahm. Dann wandte sie sich wieder mit zuckersüßer Miene an die Mätresse.
Annalena hätte Fatime gern gedankt, aber in ihrem Interesse war es besser, wenn sie nichts sagte. Es blieb bei einem kurzen Blick, von dem sie hoffte, dass er all ihre Dankbarkeit ausdrückte.
»Ich habe gesehen, wie du heute Morgen auf Hof reitest«, flüsterte ihr Fatime später in einem unbeobachteten Moment zu. »Geht es um einen Mann?«
Annalena wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Doch da die Liebe zu einem Mann für Fatime vermutlich die verständlichste Erklärung war, nickte Annalena schließlich.
»Du nächstes Mal mehr achtgeben«, sagte die Türkin daraufhin und lächelte ihr zu.
»Vielen Dank«, flüsterte Annalena, als Fatime sich schon wieder ihren Gesellschafterinnen zuwandte. Sie war sich trotzdem sicher, dass sie ihre Worte gehört hatte.
Nachdem alle Gepäckstücke verstaut waren, nahmen alle in den Kutschen Platz. Annalena nahm sich vor, kein einziges Wort mit den beiden Kammerfräulein zu reden, die sie offenbar an die Gräfin verpfiffen hatten. Schließlich setzten sich die Kutschen in Bewegung, fuhren die Brücke entlang und scheuchten, am Seeufer angekommen, einen Krähenschwarm aus den Baumkronen auf.
Ihr seid frei, um zu fliegen, wohin ihr wollt, dachte Annalena, als sie ihnen nachsah. Ich wünschte, mir und Johann wäre das auch vergönnt.
Das Auspacken von Fatimes Reisegepäck nahm eine ganze Weile in Anspruch. Erst am späten Nachmittag ergab sich eine Gelegenheit, aus den Gemächern zu entkommen, als Annalena losgeschickt wurde, einen Korb Wäsche in die Wäscherei zu bringen.
Sie hätte Maria bitten sollen mitzukommen, denn der Korb wog einiges. Aber anschließend wollte sie noch schnell in die Küche huschen und mit Martha sprechen, also schleppte sie die Wäsche allein.
Das Glück war ihr hold, gerade, als sie den Korb abgeliefert und die
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