Das Krähenweib
gefragt werden, was sie hier um diese Stunde schon suchte.
»Diesen missratenen Buben soll die Pest überfallen!«, wetterte der Kurfürst und zeterte dann in seinem heimatlichen Dialekt weiter, was Annalena nur bruchstückhaft verstand. Sie bekam mit, dass es wohl darum ging, dass der schwedische König sein Winterlager verlassen und gen Warschau marschieren wollte, was August nicht nur zur Rückkehr in die polnische Hauptstadt zwang, sondern ihn auch veranlasste, über kurz oder lang den Hof in die Residenz in Krakau zu verlegen.
Schließlich entließ er seine Begleiter nach draußen, hielt aber einen Mann zurück und zog ihn mit sich hinter eine der Säulen. Annalena musste schnell ihren Standort wechseln, damit sie nicht entdeckt wurde.
»Ich sage es Euch noch einmal, passt mir gut auf den Goldmacher auf. Die Preußen dürfen auf keinen Fall erfahren, dass er hier ist.«
»Ihr könnt Euch auf mich verlassen, Majestät. Wenn es sein muss, werde ich den Burschen mit meinem eigenen Leben schützen.«
»Das weiß ich, Beichlingen, das weiß ich nur allzu gut. Also dann, lasst uns voneinander scheiden. Ich überantworte Euch gleichermaßen das Wohl Fatimes. Haltet mich auch über ihren Zustand auf dem Laufenden.«
Offenbar hatte August seinem Vertrauten von ihrem Verdacht erzählt, Fatime könnte schwanger sein.
»Das werde ich, Majestät«, antwortete Beichlingen, und damit war ihre Unterredung beendet. Als der Kurfürst zur Tür hinaus und Beichlingen in die entgegengesetzte Richtung an ihr vorbeigeeilt war, kam Annalena vorsichtig hinter ihrer Säule hervor und lief dann mit fliegenden Röcken zum Mägdequartier.
21. Kapitel
A us den geheimen Aufzeichnungen des Johann Friedrich Böttger:
Ich dachte nicht, dass man mir meine Habe so schnell bringen würde, doch offenbar hat der Kurier sein Pferd nicht geschont. Pabst eröffnete mir heute in aller Frühe, dass die Kiste mit meinen Habseligkeiten soeben eingetroffen sei. Der Kurier hätte sie noch gestern Abend gebracht, doch leider hatte man ihn am Tor nicht durchlassen wollen.
Ob die Wachen den Kurier wohl aufgefordert hatten, die Kiste zu öffnen? Eine Hexenküche hätten sie erblickt, alles Dinge, die für sie nicht von Wert sind.
Deshalb fürchte ich nicht, dass irgendetwas verlorengegangen sein könnte. Und selbst wenn das der Fall ist, beunruhigt es mich nicht. Dank meines Rezeptes kann ich jederzeit neues Arkanum herstellen, und auch die Goldmacherei ist nicht gefährdet – jedenfalls nicht das, was ich den Leuten hier zeigen will, um meinen Kopf zu retten.
Mittlerweile bin ich zu der Einsicht gelangt, dass es mich hätte schlechter treffen können. Meine Briefe werden zweifelsohne gelesen, also habe ich die Nachricht an meine Eltern so formell wie möglich gehalten. Ich dankte ihnen für die Unterstützung und erkundigte mich nach Zorn und Schrader. Ich erwarte nicht, dass sie mich verstehen, aber ich hoffe, dass sie sich jetzt, da ich in der Obhut des sächsischen Kurfürsten weile, keine Sorgen mehr um mich machen.
Ich wünsche nur, ich könnte A. ebenfalls einen Brief senden und ihr sagen, dass es mir gutgeht, doch ich weiß leider nicht, wo ich sie finden kann. Ist sie hier in Dresden oder bei Kunckel? Oder hat sie die Hoffnungslosigkeit unserer Lage erkannt und ist weitergezogen? Nein, das will ich nicht glauben. Der Gedanke, sie eines Tages wieder in meine Arme schließen zu können, hält mich aufrecht und gibt mir Kraft.
Ein Klopfen an der Tür brachte Johann wieder einmal dazu, sein Heft in Windeseile verschwinden zu lassen. Pabst hatte ihn kurz allein gelassen, um nach dem Fortschritt der Arbeiten im Labor zu sehen. Jetzt rechnete er mit seiner Rückkehr, doch es war der Page, der dafür zuständig war, ihm Essen zu bringen.
»Nur herein, mein Freund!«, sagte Johann, während er beobachtete, wie der junge Mann mit gesenktem Kopf eintrat und das Tablett mit dem Frühstück zum Tisch brachte. Das hatte er schon etliche Male getan, ohne auch nur einmal den Blick zu heben oder irgendwas zu sagen. Wahrscheinlich hatte ihm Pabst untersagt, mit ihm zu sprechen. Johann versuchte trotzdem immer wieder, ihn zu einem Gespräch zu animieren – bisher ohne Erfolg.
»Was gibt es Neues dort draußen?«, fragte er. Der Page stellte das Tablett ab und rückte die Schalen und Kännchen darauf zurecht.
»Ich kann mir vorstellen, dass in einer Stadt wie Dresden so einiges geschieht. Kannst du mir nicht etwas berichten?«
Wieder keine Antwort,
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