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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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»Musstest du denn schon mal vor etwas weglaufen?«, fragte sie vorsichtig zurück. Sie hätte auch sagen können, dass jeder Mensch früher oder später vor etwas flieht, vor seiner Herkunft, vor anderen, vor sich selbst, aber sie hatte das Gefühl, damit schon zu viel von sich preiszugeben.
    »Nein … ich …« Marlies senkte den Kopf und seufzte tief. »Es war eine dumme Frage.«
    »Nein, es war keine dumme Frage«, entgegnete Annalena und trat nun an den Küchentisch. »Wenn es etwas gibt, vor dem du davonlaufen möchtest, dann sag es mir. Oder weihe Frau Hildegard ein, aber bleib nicht allein mit deinen Gedanken.«
    »Es geht nicht«, entgegnete Marlies, wandte sich mit einer unwirschen Bewegung ab und griff nach dem Wassereimer. Neues Wasser brauchten sie nicht, aber Marlies hoffte wahrscheinlich, am Gemeinschaftsbrunnen sicher vor weiteren Fragen zu sein.
    »Marlies.« Annalena ergriff ihren Arm und hielt sie zurück. »Wenn es etwas gibt, das dich bedrückt, dann sag es mir.«
    »Damit du dich bei Hildegard hochdienen kannst?«, fuhr Marlies sie an. »Damit du mich hier rausdrängen kannst?«
    Das war nun wirklich der letzte Gedanke, den sie gehabt hatte! Der plötzliche Ausbruch verwunderte Annalena und machte sie für einen Moment sprachlos. In den vergangenen Wochen waren sie noch nie aneinandergeraten. Sie hatte sich so gut wie möglich untergeordnet und immer die Schmutzarbeiten erledigt. Wenn sie sich hätte hochdienen wollen, hätte sie es gewiss schon vorher versucht. Außerdem hatte sie stets das Gefühl gehabt, dass Hildegard Marlies vorziehen würde. Was sollte nun ihre Beschuldigung?
    »Was steht ihr da rum und haltet euch mit Geschwätz auf?«, rief Hildegard plötzlich. Ohne dass eine der beiden Frauen es mitbekommen hatte, war die Haushälterin wieder aufgetaucht und stand nun wie ein Wachhund in der Tür, den schweren Einkaufskorb unter dem Arm. Wie viel sie von ihrem Gespräch mitbekommen hatte, wusste Annalena nicht. »Da bin ich mal für ein paar Augenblicke nicht hier und schon geben sich die Mägde dem Müßiggang hin!«
    »Aber wir wollten nur …«, begann Annalena, während Marlies die Gelegenheit nutzte, um mit dem Eimer nach draußen zu laufen. Hildegard brachte Annalena mit einer Geste zum Schweigen. Über den überflüssigen Brunnengang schien sie sich nicht zu wundern, stattdessen warf sie Annalena einen warnenden Blick zu. »Du bist nicht hier, um zu tratschen!«
    »Ja, Frau Hildegard.« Annalena senkte den Kopf und wandte sich wieder der Esse zu. Vielleicht ist es besser, sich aus allem rauszuhalten, dachte sie. Schließlich bin ich nicht Marlies’ Amme.

    Sobald ihn sein Meister von der Arbeit freigestellt hatte, machte sich Johann, wie von dem Mönch gefordert, auf den Weg zum Gasthaus.
    Den ganzen Tag über hatte er sich den Kopf zerbrochen, wie er freibekommen konnte, ohne dass Zorn Verdacht schöpfte. Sein Meister würde zwar nie so weit gehen, ihm nachzuspionieren. Aber Berlin war gewissermaßen ein Dorf, jedenfalls was das Geschwätz anging.
    Endlich, kurz vor dem Vier-Uhr-Läuten, hatte er eine Eingebung. »Herr Prinzipal, ich hatte ganz vergessen Euch zu sagen, dass mich der Herr Röber heute zu sich gebeten hat«, sprach er seinen Lehrmeister an, der neben ihm am Tresen Heilpulver abwog.
    »Aus welchem Grund?«, fragte Zorn, während er den Blick nicht von dem Zünglein an der Waage ließ. In diesem Geschäft kam es auf Genauigkeit an. Und Friedrich Zorn war dieser Grundsatz in Fleisch und Blut übergegangen.
    »Er will mir ein Buch zeigen, welches sich mit der Naturkunde befasst. Er meinte, es könnte mir nützlich sein für mein bevorstehendes Examen.«
    »Naturkunde, so«, brummte Zorn und schüttete noch etwas Pulver auf die Waagschale. Das Zünglein zuckte.
    »Ganz recht, Naturkunde«, entgegnete Johann mit fester Stimme und verbarg seine Hände unter dem Tresen, damit Zorn nicht ihr leichtes Zittern bemerkte.
    »Er zeigte sich bei seinem gestrigen Besuch sehr interessiert an der Alchemie, der Herr Röber«, sagte Zorn, noch immer mit voller Konzentration auf die Waage. »Nicht, dass du dich von ihm wieder auf den Pfad dieser Irrlehre leiten lässt!«
    »Nein, ganz gewiss nicht«, beteuerte Johann und legte sich sogleich einen Plan zurecht, wie er den Kaufmann dazu verpflichten konnte, gegenüber seinem Meister zu schweigen. »Ich möchte nur einen kurzen Blick in das Buch werfen, das ist alles. Ich bin sicher, dass es für mich von Nutzen ist.«
    »Nun gut,

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