Das Krähenweib
dann geh. Die Stunden arbeitest du nach!«
»Das werde ich, Herr Prinzipal. Vielen Dank, Ihr seid sehr gütig.«
Zorn machte eine Handbewegung, die bedeuten sollte, er möge nicht schwätzen, sondern verschwinden.
Auf dem Molkenmarkt herrschte auch heute ziemliches Gedränge. Unwillkürlich hielt Johann nach der Fremden Ausschau, die so sehr einer Zigeunerin ähnelte und es dennoch nicht war.
Hier und da erspähte er einen Schopf, der dem ihren ähnelte, aber als er näher herantrat, verflog die Illusion. Da er aber keine Zeit zu vergeuden hatte, gab er dieses Unterfangen recht bald auf und ließ sich von seinem Weg zum Goldenen Hirschen nicht mehr ablenken.
Die Straßen abseits des Molkenmarkts waren weniger stark begangen. Einem Fuhrwerk, das durch eine Gasse preschte, wich er mit einem beherzten Sprung aus, doch weitere Gefahren dieser Art blieben aus. Nach einer Weile tauchte das Wirtshaus vor ihm auf. Eine Magd mit rundem Hintern scheuerte gerade das Trottoir, eine andere putzte Fenster und reckte sich dabei dermaßen in die Höhe, dass die dunklen Höfe ihrer Brustwarzen aus ihrem Ausschnitt hervorlugten.
Dieser Anblick hätte Johann sonst zum Verweilen eingeladen, aber er hatte Wichtigeres vor. Er schob sich an den Mägden vorbei in die Schankstube. Am Tresen stand der Wirt und unterhielt sich mit einem Mann in recht verschlissener Kleidung. Als er ihn kommen sah, fragte er: »Was kann ich für Euch tun, junger Herr?«
Diese Anrede hatte er wohl seinem blauen Rock zu verdanken, den er sonst nur zum Kirchgang trug. »Ich möchte gern zu Lascarius, dem Mönch. Er sagte mir, dass er bei Euch Unterkunft gefunden habe.«
Der Wirt musterte ihn kurz, dann deutete er auf die Treppe. »Er ist in seinem Zimmer, auf dem Gang oben, zweite Tür rechts.«
Johann bedankte sich, erklomm die Stufen und fand sich schließlich vor besagter Tür wieder. Kurz glaubte er, ein Gebet dahinter zu vernehmen, doch als er direkt davorstand, war nichts mehr zu hören. Er klopfte und wurde vom Mönch hereingebeten.
Lascarius saß im Schneidersitz auf einem zerschlissenen Kissen. Vor ihm lag ein Buch, das er aber schloss, als Johann näher trat. Die Bibel war es anscheinend nicht. Vielleicht ein Werk, das sich mit Alchemie beschäftigte?
Eine Reisekiste stand neben dem Bettkasten, und wenn er erwartet hatte, einen Versuchsaufbau zum Tingieren vorzufinden, so wurde Johann enttäuscht. Offenbar war der Mönch nur auf der Durchreise.
»Es freut mich, dass Er den Weg zu mir gefunden hat«, sprach Lascarius ihn an, ohne sich von seinem Kissen zu erheben. »Ist Er bereit für die Prüfung?«
»Das bin ich«, antwortete Johann, und seine Stimme klang nicht so fest, wie sie eigentlich hätte klingen sollen. Die Ungewissheit nagte an ihm, er fürchtete, dass er Lascarius’ Ansprüchen nicht genügen würde. »Doch ich sehe keinen Versuchsaufbau. Wie wollt Ihr mich also prüfen?«
»Geduld, junger Mann, Geduld. Ich habe keinesfalls vor, Ihn die Transmutation hier durchführen zu lassen. Der Wirt verweist mich des Hauses, wenn es aus meinem Fenster qualmt. Außerdem hat er keinen Ofen, der die nötige Hitze produziert. Ich habe mir erlaubt, ein Labor bei einem vielversprechenden Anhänger unserer Kunst anzumieten, dort wird Er alles finden, was Er für die Prüfung benötigt.« Mit diesen Worten erhob sich der Mönch, griff mit einer Hand nach seinem Wanderstab und mit der anderen unter seine Kutte, um etwas hervorzuholen.
Böttger wollte ihn eigentlich nicht so offensichtlich anstarren, doch ihm entging das rote Funkeln, das von dem Gegenstand in seiner Hand ausging, nicht.
Lascarius warf nur einen kurzen Blick darauf, als wolle er sich nur vergewissern, dass es an Ort und Stelle sei, dann ließ er es wieder unter dem rauhen Stoff verschwinden.
Ein ungeheuerlicher Gedanke kam Johann. War dies der Stein der Weisen? Das wertvollste Gut auf Erden, das ewige Jugend schenken und Blei zu Gold machen konnte? Sein Herz klopfte ihm auf einmal bis zum Hals, und er konnte nur mühsam seine Unruhe bezwingen.
Lascarius entging das nicht, und er ahnte wohl auch, woher diese Erregung kam. Er lächelte milde und bedeutete Böttger dann, das Zimmer zu verlassen. Unten auf der Straße mischten sie sich unter die Passanten.
Johann musste zugeben, dass ihm in der Gesellschaft des Mönches seltsam zumute war. Nicht nur wegen des vermuteten Steins der Weisen in seiner Tasche und der Angst, bei der Prüfung zu versagen. Nein, die Welt schien plötzlich
Weitere Kostenlose Bücher