Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
Vom Netzwerk:
ihm am liebsten gestellt hätte. Überwältigt von der Begegnung mit dem großen Adepten fand ich nur nicht den Mut dazu.
    »Wenn Er zu mir kommt, werde ich Ihm ein paar Fragen stellen und Ihm bei einer Transmutation zusehen. Sollte Er sich würdig erweisen, werde ich Ihn als meinen Lehrling aufnehmen – vorausgesetzt, Er will zu einem großen Adepten werden.«
    Mir war in diesem Augenblick, als würde sich der Boden unter mir auflösen und auch jetzt, einen Tag später, kann ich es noch nicht glauben. Ich soll ein großer Adept werden! Jeder, der sich mit Alchemie beschäftigt, träumt davon. Und mir soll dieses Glück beschieden sein?
    »Ich werde da sein«, war alles, was ich zu Lascarius sagen konnte. Der Mönch blickte mich noch einen Moment lang an, dann ging er davon. Mir war vorher nicht aufgefallen, dass sein Körper gebeugt war, doch er ging so krumm, als trüge er die Last der gesamten Welt auf seinem Rücken. War es die Last des Wissens?
    Ich sah ihm noch eine Weile nach, wie er über den Marktplatz ging, dann entschwand er meinen Blicken.
    »Was war das für ein Mann, mit dem du gesprochen hast?«, erkundigte sich Schrader neugierig, als ich wieder zur Tür hereinkam. Er hatte hinter der Theke gestanden und die Szene zwischen mir und Lascarius beobachtet, jedoch die Worte nicht verstanden.
    »Ein Mönch«, antwortete ich wahrheitsgemäß, obwohl ich nicht vorhatte, ihm die ganze Wahrheit auf die Nase zu binden. »Er wollte mich um kostenlose Arzneien bitten, doch ich habe ihn weggeschickt.«
    »Du hast ihn weggeschickt?«, fragte mein Freund entgeistert. »Einen Mönch? Hast du dein Herz etwa gegen einen Stein eingetauscht?«
    »Nein, das habe ich nicht, aber ich habe ihm angesehen, dass er es nicht ehrlich meint. Glaubst du etwa, alle Mönche, auch solche die sich nur so kleiden, wären Heilige? Außerdem bin ich Lutheraner und habe mit diesen Gesellen eh nichts am Hut.«
    Schrader schluckte meine Lüge. Vielleicht unterrichtet er den Meister von meiner Herzlosigkeit, bisher hat er es jedenfalls noch nicht getan. Aber das ist auch egal. Nichts soll mich mit Lascarius in Verbindung bringen. Niemand soll wissen, wer er ist und was ich vorhabe. Das Schicksal hat mir einen zweifachen Wink gegeben, erst durch Röber, dann durch Lascarius. Ich werde mein Ziel erreichen …
    Am nächsten Morgen war Marlies erneut unpässlich.
    Nach dem, was Annalena in der gestrigen Nacht beobachtet hatte, beschloss sie, die andere Magd genauer im Auge zu behalten. Ein Verdacht war in ihr aufgestiegen. Konnte es sein, dass das Stelldichein mit Röber nicht das erste gewesen war?
    Und war es möglich, dass diese Begegnungen nun Folgen hatten?
    Annalena wünschte sich im Stillen, dass sie die Geräusche ignoriert hätte. Warum hatte sie bloß gedacht, dass sich jemand so sehr für sie interessieren könnte, dass er durch ihr Schlüsselloch spähte?
    Als sie mit dem Fegen fertig war, kehrte sie ins Haus zurück. Aus der Küche strömte ihr der Geruch von Gelben Rüben und Majoran entgegen. Hildegard war heute selbst zum Markt gegangen, um ein Stück Bauchfleisch für den Eintopf zu holen. Annalenas Näherkommen schreckte Marlies aus ihren Gedanken auf.
    »Wie geht es dir?«, fragte Annalena, als sie an die Esse trat, um nachzuheizen. Die Scheite waren nicht besonders gut, sie zischten, als sie sie ins Feuer warf und es dauerte eine Weile, bis sich die Flammen über sie hermachten. Thomas, der Knecht des Hauses, würde beim nächsten Mal trockneres Holz besorgen müssen.
    Marlies setzte ein Lächeln auf, das ein wenig gezwungen wirkte, dann antwortete sie: »Ein wenig besser.«
    »Soll ich dir einen Kamillensud kochen?« Annalena deutete auf den Wasserkessel. »Ich habe mir sagen lassen, dass Kamille den Magen heilt.«
    Marlies schüttelte den Kopf. »Nicht nötig, das gibt sich bestimmt von allein wieder.«
    Beklommenes Schweigen trat zwischen sie.
    »Sag mal, bist du eigentlich schon mal vor etwas weggelaufen?«, fragte Marlies unvermittelt.
    Annalena hatte das Gefühl, als würde sie ihr einen Schwall Eiswasser über den Leib gießen. »Wie meinst du das?«, fragte sie zurück und hielt den Blick gesenkt, während sie weiterhin das Feuer anfachte.
    »Na ja, weggelaufen vor irgendwas«, antwortete Marlies. »Vielleicht vor einer Erinnerung. Oder vor einem Menschen. Einem Mann vielleicht. Du bist immer so still, nie erfährt man etwas über dich.«
    Annalena durchlief es siedend heiß. Wollte sie etwa vor Röber fliehen?

Weitere Kostenlose Bücher