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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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ihre Last loswurde. Als sie sich wieder der Tür zuwenden wollte, hielt Röber sie zurück. »Warte!«
    Es mochte Einbildung sein, aber der Blick ihres Dienstherrn traf sie wie ein Pfeil, durchdringend und fast schmerzhaft.
    »Ich habe mich noch gar nicht erkundigt, wie es dir hier gefällt«, sagte er, während er sich von seinem Platz erhob. Annalena senkte den Blick auf ihren Rocksaum. Alles in ihr schrie danach, aus dem Raum zu laufen, obwohl Röber doch gar nichts getan hatte.
    »Na, na, nicht so schüchtern«, bemerkte er. »Das warst du doch auch nicht, als du dich hier vorgestellt hast.« Röber machte vor ihr halt und streckte die Hand nach ihr aus. Er hob ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen.
    Das Leuchten in seinen Augen beunruhigte Annalena noch mehr. Ähnlich hatten Mertens’ Augen geleuchtet, wenn er zu ihr gekommen war, um sie zu züchtigen. Ob Röber auch eine Peitsche besaß? Annalena unterdrückte ein Schaudern.
    »Aber, aber, meine Liebe, du wirst doch wohl keine Angst vor mir haben.« Röbers Atem strich sauer über ihr Gesicht.
    »Nein, Herr, mir ist nur kalt.«
    »Dann solltest du dich ein wenig aufwärmen.«
    Annalena wich zurück, rasch genug, dass sie sich Röbers Griff entziehen konnte. »Verzeiht, ich habe keine Zeit. Frau Hildegard wird mich strafen, wenn ich nicht gleich wieder in der Küche bin.«
    Röber blickte sie an, als ob er etwas Gegenteiliges sagen wollte. Das Leuchten in seinen Augen blieb. Doch schließlich trat er einen Schritt zurück.
    »Gut, dann geh an die Arbeit!« Der Ärger in seiner Stimme war nicht zu überhören. »Vielleicht werde ich Hildegard bitten, dich jetzt jeden Tag zu mir zu schicken. Du bist schon eine Weile in meinen Diensten, aber ich kenne dich noch gar nicht richtig.«
    Annalena knickste gehorsam, betete aber im Stillen, dass Hildegard sich nicht darauf einlassen würde. Den Gedanken, dass er sie noch einmal berühren würde, konnte sie nicht ertragen.
    Als sie das Schreibzimmer verlassen hatte und wieder an der Treppe stand, atmete sie erst einmal durch und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Möglich, dass ich voreingenommen bin, ging es ihr durch den Kopf. Doch wer wäre das nicht? Vielleicht vergreift er sich öfters an seinen Mägden. Aber bei mir soll er das besser nicht versuchen …
    Leise ging sie die Treppe hinunter, als plötzlich ein Rumpeln ertönte, es klang, als hätte jemand etwas fallen gelassen. Annalena eilte in die Küche. Marlies lag neben dem Tisch, ihr Kopf war zur Seite geneigt, ihre Augen geschlossen. Neben ihr lag eine zerbrochene Schüssel, deren Inhalt sich über den Boden ergossen hatte.
    »Marlies!« Annalena hockte sich neben sie. Als sie ihre von kaltem Schweiß überzogenen Wangen tätschelte, kam Marlies wieder zu sich.
    »Was ist passiert?«, fragte sie und wollte sich aufrichten, doch Annalena hinderte sie daran.
    »Dir muss schwarz vor Augen geworden sein. Bleib noch sitzen, das Blut muss erst wieder in deinen Kopf fließen.«
    Marlies gehorchte, ihre Miene zeigte Ratlosigkeit. »Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Ich habe nicht mal gemerkt, dass ich umgefallen bin.«
    »Soll ich dich lieber nach oben bringen?«
    Bevor Marlies antworten konnte, rauschte Hildegard herein. Als sie Annalena inmitten von Scherben und Gemüse sah, wollte sie schon zu einer Schimpftirade anheben. Aber dann bemerkte sie Marlies. »Was ist geschehen?«
    »Ihr ist schwindlig geworden«, erklärte Annalena. »Ich wollte sie gerade in ihre Kammer bringen.«
    Hildegard schüttelte den Kopf und holte ein paar Münzen aus ihrer Schürzentasche. »Du wirst zur Apotheke laufen und Riechsalz sowie ein Mittel gegen die Fallsucht holen.«
    »Geh am besten zu der vom Zorn am Molkenmarkt. Los, lauf!«
    Dass Hildegard Marlies auf die Füße half, bekam Annalena nicht mehr mit. Sie stürmte aus der Hintertür und verschwand in die Nacht.

    Annalena kannte zwar den Weg zum Molkenmarkt, aber in der Nacht war er ihr nicht geheuer. Marlies behauptete, dass in den Schenken der Stadt bis weit nach Mitternacht gelärmt wurde und man zuweilen ziemlich gefährlichen Gestalten begegnen konnte.
    Obwohl sie von sich glaubte, vor nur wenigen Dingen Angst zu haben, blickte sich Annalena nun aufmerksam um und mied die dunklen Ecken, die das Mondlicht nicht erreichte.
    Der Molkenmarkt war um diese Zeit verlassen. Nur ein paar Katzen und Ratten drückten sich in den Ecken herum. Eine Bewegung jenseits der Gasse, aus der sie kam, erregte kurz Annalenas

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