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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Aufmerksamkeit, dann jedoch hatte sie die Apotheke vor sich und kümmerte sich nicht mehr um die Gestalt.
    Die Zorn’sche Offizin hatte zwei Stockwerke und einen Spitzgiebel. Damit ähnelte es ein wenig dem Kaufmannskontor. Der Apotheker schien wohlhabend zu sein, denn er konnte sich klare Fensterscheiben leisten. Neben der Tür war eine Glocke angebracht, um den Apotheker oder seine Gehilfen bei Notfällen aus dem Schlaf zu klingeln. Annalena wollte gerade die Hand nach dem Glockenseil ausstrecken, als jemand hinter ihr fragte: »Kann ich etwas für Euch tun?«
    Sie zuckte erschrocken zusammen und wirbelte herum. Sie hatte nicht bemerkt, dass jemand hinter sie getreten war. Doch das Gesicht, in das sie nun blickte, war ihr wohlbekannt.
    »Ihr?«
    Beide sprachen gleichzeitig dieses Wort aus.
    »Was tut Ihr hier? Habt Ihr mir aufgelauert?«, fragte Annalena scharf, nachdem sie erst einmal tief Luft geholt hatte. Es konnte doch kein Zufall sein, dass sie den Burschen vom Markt mitten in der Nacht hier antraf.
    »Dies ist kein Überfall, holde Schöne, ich bin der Lehrling des Apothekers. Hättet Ihr mich gestern nicht so schroff abgewiesen, hätte ich es Euch vielleicht erzählt.«
    Verlegenheit überkam Annalena und ließ sie beschämt den Blick senken. Wer hätte das auch ahnen können?
    »Mein Name ist Johann«, stellte sich der Bursche vor, um den unangenehmen Moment zu vertreiben. »Johann Friedrich Böttger.« Er deutete eine Verbeugung an. »Ich stehe Euch zu Diensten, mein Fräulein.«
    Während sie ihm in die Augen sah, überkam sie plötzlich ein seltsames Gefühl. Für die Dauer eines Wimpernschlags glaubte sie, in Johanns Blick ihre Zukunft zu sehen, nur dass es sich nicht wie die Zukunft anfühlte, sondern wie die Erinnerung an Jahre gemeinsamen Glücks. So etwas hatte sie noch nie erlebt, wenn sie auf einen Menschen getroffen war.
    »Ich … ich heiße Annalena«, entgegnete sie schüchtern. »Ich brauche Riechsalz und ein Mittel gegen die Fallsucht.«
    Böttger hob erstaunt die Augenbrauen. »Annalena ist ein schöner Name. Doch erregt meine Anwesenheit dermaßen viel Übelkeit in Euch, dass Ihr diese Mittel benötigt?«
    Annalena wollte sofort protestieren, doch dann bemerkte sie, dass er nur scherzte. »Nein, meine Freundin, die auch in Röbers Haushalt arbeitet, ist ohnmächtig geworden und Frau Hildegard möchte …«
    Böttgers Blick wurde sofort ernst. Er nahm ihre Hand und drückte sie aufmunternd, ließ sie aber sofort wieder los. »Ich werde Euch die Arzneien holen.«
    Johann öffnete die Tür so leise er konnte und verschwand in den Tiefen der Offizin. Annalena blieb draußen, und während sie ihr Schultertuch enger zog, blickte sie sich unbehaglich um.
    »So, da haben wir es!«
    Wieder hatte Annalena Johann nicht gehört und konnte nur mühsam einen Aufschrei unterdrücken. »Himmel, warum erschreckt Ihr mich schon wieder?«
    »Keine Absicht, holde Maid, ich will nur niemanden aufwecken.« Johann reichte ihr ein Fläschchen aus braunem Glas, das mit einem Korken verschlossen war, und ein Briefchen, in dem ein Pulver raschelte. »Was das Pulver angeht, löst eine Messerspitze in einem Becher Wasser, das sollte vor Anfällen dieser Art schützen. Und passt gut auf das Fläschchen auf, mit seinem Geruch kann man Tote wecken.«
    »Die werden doch wohl nicht gerade unter dem Gewürzkontor liegen, oder?«
    »Das nicht, aber Ihr kommt an Sankt Nicolai vorbei, und da kann ich für nichts garantieren.«
    »Ich habe keine Angst vor den Toten«, entgegnete Annalena und streckte ihm Hildegards Münzen entgegen. Ehe sie sich versah, umschlossen Böttgers Finger ihre Hand. Das Gefühl, seine Haut zu spüren, durchzog sie wie ein warmes Kribbeln.
    »Ich muss gehen«, sagte sie schnell, doch Johann ließ sie nicht los. Annalena blickte ihn fragend an.
    »Würdet Ihr mir einen Gefallen tun?«
    »Welcher Art?«
    »Ich habe ein Schreiben für Euren Herrn. Ich könnte es ihm auch selbst bringen, aber da Ihr schon mal auf dem Weg seid …«
    Annalena war fast ein wenig enttäuscht. Sie hatte nicht mit einer so gewöhnlichen, unpersönlichen Bitte gerechnet. »Wenn Ihr so viel Vertrauen zu mir habt.«
    »Das habe ich«, entgegnete Johann und zog das Briefchen aus der Tasche. Er hatte es noch im Goldenen Hirsch geschrieben und hoffte, dass es den gewünschten Effekt beim Empfänger haben würde.
    Annalena nahm es an sich, fragte dann aber: »Was hat ein Apothekerlehrling mit meinem Herrn zu schaffen? Ist er

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