Das Krähenweib
keineswegs Gold, ja nicht einmal goldfarben. Doch es war seltsam, Lascarius schien nicht erbost darüber zu sein, vielmehr hatte er dieses Ergebnis erwartet. Ich dachte wieder an das rote Schimmern in seiner Tasche und hoffte, dass er sich uns offenbaren würde. Aber das war nicht der Fall. Wahrscheinlich führte er das Gefäß nur mit sich, weil er fürchtete, dass es ihm in der Gastwirtschaft gestohlen werden könnte. Den Namen Lascarius kannten viele, und so mancher erwartete gewiss Gold bei ihm zu finden, wenn nicht sogar das Wasser des Lebens, das ewige Jugend schenkte.
Am Ende der Prüfung, als ich schon niedergeschlagen Vergebung für das Scheitern erbitten wollte, sagte Lascarius: »Er hat wirklich großes Talent in der Alchemie, mein Freund. Ich werde Ihn als meinen Schüler akzeptieren, wenn Er das will.«
Zunächst war ich überrascht, diese Worte zu hören, dann blickte ich zu meinem Freund Siebert, von dem ich annahm, dass es ihn neidisch machen würde, wenn Lascarius mich in die geheime Lehre einweihte und ihn nicht. Doch von Eifersucht konnte ich auf seinem Gesicht nichts finden. Wahrscheinlich weiß der alte Gauner, dass ich ohne ihn nichts machen kann, denn der Prinzipal verbietet mir, in seinen Räumlichkeiten zu experimentieren. Und wenn ich die Formel für die Transmutation finde, wird er sie ebenfalls kennen, zumindest scheint er das zu glauben. Mir ist es gleich, soll er es doch mitbekommen. Es gibt viele Fürsten und Könige auf dieser Welt und man kann nur einem zur Zeit dienen. Also sagte ich Lascarius zu und beteuerte gleichzeitig, dass ich mit Freuden seinen Lehren folgen würde. Der Mönch nickte mir daraufhin zu, und nachdem wir zusammen mit Siebert einen kleinen Umtrunk genommen hatten, machte ich mich auf den Heimweg.
Doch die größte Überraschung hielt Fortuna noch für mich bereit: Ich begegnete der Schönen vom Markt wieder. Ihren Namen hier zu nennen käme einem Frevel gleich, also nenne ich sie A. und verbinde mit diesem Buchstaben süße Hoffnung, denn schon lange hat mich kein Weibsbild mehr so verzaubert wie sie.
Man hätte meinen können, dass meine Ruhelosigkeit in dieser Nacht den Geschehnissen in Sieberts Labor zuschulden gewesen wäre, doch das stimmt nicht. A. war es, die meinen Geist umfangen hielt und daran gehindert hat, in Morpheus Reich zu wandern. Und sie ist es jetzt, an die ich noch immer denke, während ich die Feder in der Hand halte und mich frage, welches Talent ich wohl dazu habe, ein Sonett zu schreiben, das ich ihr beim nächsten Treffen schenken kann.
Auch an diesem Morgen kam Johann später als Schrader in die Offizin, doch diesmal würde es nicht auffallen, da der Prinzipal nicht anwesend war. Er machte einen Hausbesuch bei einem seiner hochgestellten Kunden und würde erst gegen Mittag wieder zurückkehren. So lange oblag die Offizin seinen Lehrlingen. Dennoch musste Böttger vorsichtig sein, denn wer wusste, was an die Ohren des Meisters geriet. Er konnte sich nicht erlauben, dass Zorn ärgerlich wurde und ihm dann seine freien Stunden beschnitt, die er brauchte, um bei Lascarius die Alchemie zu studieren.
Diese Studien geheim zu halten war Johanns dringlichste Aufgabe. Soweit er es beurteilen konnte, schöpfte der Prinzipal noch keinen Verdacht. Das Pergamentheft, in dem Böttger seine Notizen festhielt, klebte jeden Tag an seinem Körper, tränkte sich mit seinem Schweiß und sog seine Gedanken auf, die aber unsichtbar für seine Mitmenschen waren und es auch blieben, solange das Heft niemand fand.
Und auch sonst verlief alles zu seiner Zufriedenheit. Er war sich sicher, dass Annalena den Brief für Röber ausgeliefert hatte, und nun wartete er auf Antwort.
»He, Johann, kommst du auch schon?«, fragte Schrader, als er die Defektur betrat. »Du hast heute geschlafen wie ein Stein. War die letzte Nacht so anstrengend für dich?«
»Anstrengend ist gar kein Ausdruck«, gab Böttger zurück und setzte ein freches Lächeln auf, während er an den Arzneischrank trat.
Schrader betrachtete ihn von der Seite. »Hast du etwa ein neues Mädchen?«
Der Einfachheit halber hätte er ja sagen können, aber dann würde Schrader ihn die ganze Zeit mit Fragen löchern, um herauszufinden, wer sie denn war.
»Mich beschäftigt etwas anderes«, antwortete Johann also.
Sein Freund hob überrascht die Augenbrauen. »Bisher waren es doch immer Frauengeschichten, die dich dazu gebracht haben zu verschlafen. Haben die Weiber ihr Interesse an dir
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