Das Krähenweib
verwandle.«
Böttger hörte das Blut durch seine Adern rauschen. Was er da vorschlug, konnte schnell zu seinem Galgenstrick werden. Doch er hatte keine andere Möglichkeit. Wenn Zorn sah, dass seine Forschungen nicht unnütz waren, würde er ihn vielleicht nicht rauswerfen.
Der Prinzipal dachte eine Weile über das Gesagte nach. Johann versuchte von seiner Miene abzulesen, wie seine Antwort lauten mochte, doch es gelang ihm nicht.
»Du wirst in zwei Tagen einen Versuch mit diesem sogenannten Stein der Weisen durchführen«, sagte Zorn schließlich mit mühsam beherrschter Stimme. »Ich werde einige Zeugen herbeiholen, unter anderem auch den Münzmeister der Stadt. Wenn du vor ihm bestehst, werde ich deine Forschungen nicht nur erlauben, sondern auch unterstützen. Doch wenn du versagst, wirst du noch in derselben Nacht meine Offizin verlassen. Ist das klar?«
Johann nickte und dankte der Dunkelheit und den Dämpfen, die den kalten Schweiß auf seiner Stirn versteckten. »Vielen Dank, Meister, Ihr seid sehr gütig«, brachte er hervor, doch Zorn sagte nichts mehr. Wortlos legte er den Regulus und die Phiole zurück auf den Tisch und verließ den Keller. Johann blieb wie ein geschlagener Hund stehen.
Wenn mein neu angefertigtes Arkanum ebenfalls versagt, bin ich verloren …
Auf keinen Sonntag hatte sich Annalena so gefreut wie auf diesen. Röber und Hildegard waren bei Freunden und Bekannten, Thomas bei seiner Frau und Paul wer weiß wo, wahrscheinlich bei seinen Eltern oder seinem Liebchen. Nur sie allein war noch da und wartete auf Johann. Sie beobachtete die vorbeigehenden Menschen und versuchte zu erraten, wohin sie ihr Weg führen würde.
Zwei feine Herren schlenderten miteinander parlierend in Richtung Molkenmarkt. An ihnen eilte ein Pastor mit wehendem Talar und Gebetbuch unter dem Arm vorbei. Einige junge Frauen spazierten in bestem Sonntagsstaat die Straße entlang, hinter ihnen eine Matrone, die wahrscheinlich über den Anstand wachte. Ein paar junge Burschen, die Annalena vor der Tür entdeckten, lächelten und zwinkerten ihr zu.
Doch Johann ließ sich nicht blicken.
Nachmittags, hatte er gesagt, was natürlich keine genaue Zeitangabe war, aber er würde sicher noch vor Einbruch der Dunkelheit kommen. Um ihre Ungeduld zu verdrängen, blickte Annalena zu den Wolken auf. Der Oktober schien alles zu vergolden, selbst die weißen Gebilde am Himmel, vor denen gerade eine Schar Wildgänse in Richtung Süden flog.
Als sie Schritte vernahm, blickte sie sofort wieder zur Straße und sah Johann auf sich zueilen. Endlich!
Erfreut sprang sie von der Treppe, richtete ihre Haube und strich sich ihren Rock glatt. Eine Königin würde sie dadurch nicht aus sich machen, aber die Leute würden ihr nicht nachsagen können, dass sie unordentlich war.
Als Johann näher kam, bemerkte sie, dass seine Miene wie eingefroren wirkte. Er war blass um die Nase, als würde es ihm nicht gutgehen. Augenblicklich wich ihre Freude der Sorge. »Was ist mit dir?«, fragte sie und legte ihre Hände in seine schweißfeuchten. »Bist du krank?«
Diese Frage einem Apothekergesellen zu stellen, erschien ihr seltsam, denn wenn ihn wirklich ein Leiden plagte, würde er sicher wissen, welches Kraut er dagegen einsetzen musste. Doch sie sah, dass es keine Krankheit war, die ihn plagte, jedenfalls keine, die die Doktoren kannten. Es war ein Leiden in seiner Seele, etwas, gegen das nur Taten helfen konnten.
»Es tut mir leid, ich kann nicht mit dir zur Kirmes gehen«, brachte er zögerlich hervor.
Annalena war gewillt, aus diesen Worten nicht gleich das Schlechteste zu lesen, obwohl sie ahnte, dass Johann sie gleich wieder verlassen wollte. »Röber ist aus dem Haus und Hildegard auch«, sagte sie also und versuchte sich trotz der Enttäuschung an einem Lächeln. »Wir könnten in meine Kammer gehen.«
»Ich kann nicht bleiben«, entgegnete Johann ernst.
»Aber du hattest es doch versprochen«, entgegnete Annalena und spürte, wie sich etwas in ihrer Kehle zusammenzog. Das Gold, dachte sie. Das Gold hat wieder einmal gewonnen.
»Ja, das habe ich, und ich werde es auch wiedergutmachen, doch jetzt habe ich keine Zeit, ich muss mich vorbereiten. Mein Meister will, dass ich eine Transmutation vorführe, vor hohen Gästen.«
Annalena hob verwundert die Augenbrauen. »Aber ich dachte, dein Meister will nicht, dass du Gold machst.«
»Er hat mich gestern im Laboratorium erwischt und verlangt nun, dass ich mein Können unter Beweis
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